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Benutzer:Tojol/Verschiedenes/AnrufungOPT: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 6. April 2017, 19:39 Uhr

Anrufung der Schiedsgerichtsbarkeit bezüglich des Onlineparteitages

Diese Seite dokumentiert meine Anrufung der Schiedsgerichtsbarkeit in Folge des ersten Online-Landesparteitages. Bis auf Weiteres gehe ich gehe davon aus, dass dies im Einverständnis der übrigen Prozessbeteiligten erfolgt.

Diese "Benutzerseite ist" nur von mir selbst zu bearbeiten.

Etwaige Beiträge auf der Seite "Diskussion" behalte ich mir vor als Statement stehenzulassen oder auch zu löschen - also mein "Hausrecht" zu nutzen. Insbesondere Unterstellungen oder Vermutungen zu Handlungsmotiven haben schlechte Überlebenschancen. Inhaltlich werde ich mich während des Verfahrens nicht äußern.

Tojol (Diskussion) 20:38, 6. Apr. 2017 (CEST)

Text der Klageschrift vom 20. März 2017 (korrigierte Fassung)

Klage

des Thomas Langen, <Adresse gelöscht>, gegen den Online-Parteitag (die virtuelle Mitgliederversammlung) des Landesverbandes Brandenburg der Piratenpartei Deutschland, diese vertreten durch den amtierenden Vorstand des Landesverbandes Brandenburg der Piratenpartei Deutschland, Garnstr. 36, 14482 Potsdam.

Es wird beantragt festzustellen,

1. dass die Akkreditierung der Mitglieder des Online-Parteitages vom 26.Februar 2017 nicht den gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben entsprochen hat;

2. dass weder nachvollziehbar war, dass alle anwesenden stimmfähigen Beteiligten des Online-Parteitages auch stimmberechtigte Mitglieder waren noch dass alle stimmberechtigten Mitglieder die Möglichkeit zur Beteiligung hatten;

3. dass die Möglichkeit zur Verfälschung des Abstimmergebnisses durch einzelne Beteiligte oder unbeteiligte Dritte in nicht hinnehmbaren Maße gegeben war;

4. dass damit die Willensbildung auf dem Online-Parteitag in nicht hinnehmbaren Maße beeinträchtigt war;

5. dass zudem die Vertraulichkeit des Abstimmungsverhaltens aufgrund nicht durchsetzbare Verbote umfassender visueller Aufzeichnungen („Screenshots“) nicht gewährleistet werden kann;

6. dass damit alle Abstimmungsergebnisse des genannten Onlineparteitags, hilfsweise das Abstimmungsergebnis zum Positionspapier 4, ungültig sind.

Darüber hinaus wird beantragt, dass durch eine einstweilige Anordnung die weitere Durchführung von Onlineparteitagen in einer Form, die die aufgeführten Klagepunkte (oder einen vom Schiedsgericht festgelegten Teil davon) nicht ausräumt, bis zur Entscheidung in der Hauptverhandlung untersagt wird.

Ferner wird angeregt von Amts wegen zu überprüfen, ob das Schiedsgericht als Ganzes oder einzelne Richter des Schiedsgericht als Beteiligte des Online-Parteitages befangen sind.

Begründung

zu Punkt 1:

Die Mitgliederversammlung muss gemäß Parteiengesetz (§ 10 (2)) allen Mitgliedern das gleiche Stimmrecht gewährleisten. Diese Gewährleistung ist bereits durch die technischen Hürden der eingesetzten Software (Mumble) und notwendigen stabilen Onlineverbindung insbesondere im Flächenland Brandenburg mit seiner immer noch unzureichenden Netzausstattung fraglich. Diese Hürden können bereits im Vorfeld zu einem Verzicht führen, auch damit eigene oder äußere Unzulänglichkeiten persönlicher, organisatorischer oder technischer Natur nicht offenbar werden.

Gemäß § 24a (2) der Landessatzung muss der Abstimmende persönlich als stimmberechtigt identifizierbar sein. Diese Bindung gilt nicht nur für die Versammlungsleitung und die Akkreditierenden, sondern für alle Mitglieder des Landesverbandes. Die Feststellung der Stimmberechtigung durch die Akkreditierung wird, wie in den Erläuterungen zu den folgenden Punkten dargelegt, bezweifelt. Eine Identifizierung von Teilnehmern, die mit beliebigen Namen oder Pseudonymen auftreten, ist für am Onlineparteitag teilnehmende oder nicht teilnehmende Mitglieder ohne besondere Rechte nicht möglich. Einerseits ist unklar, wer sich hinter einem Mumble-Nutzernamen verbirgt, andererseits bietet Mumble für Mitglieder ohne besondere Rechte -auch aufgrund derer Stummschaltung- nicht die Möglichkeit, durch Kommunikation Zweifel an einer persönlichen Identität in einer Weise auszuräumen, die der visuellen und akustischen Überprüfung auf Präsenzparteitagen auch nur annähernd vergleichbar ist.

zu Punkt 2:

Die Feststellung der Identität aller Teilnehmer am Onlineparteitag und deren Stimmberechtigung obliegt vollständig den Akkreditierenden. Diesen können einerseits Irrtümer unterlaufen -wie auch auf Präsenzparteitagen-, zum Anderen ist es ihnen aber ohne größere Entdeckungsgefahr möglich, unberechtigte Teilnehmer (mit beliebigen Mumble-Nutzernamen) zuzulassen oder diese gar vollständig zu erfinden („Fake-Mitglieder“). Diese Möglichkeit der Manipulation ist bei Onlineparteitagen ungleich größer als bei Präsenz-Parteitagen. Zudem lässt sie sich nach Ablauf des Parteitages nicht mehr überprüfen; das Entdeckungsrisiko beschränkt sich also im Wesentlichen auf den Zeitraum des erstmaligen Erscheinens eines Teilnehmers im Mumble. Die verwendete Technik ist intransparent für mindestens einen Großteil der Teilnehmer – inwieweit die Mumble-Zertifizierung eine hinreichend stabile persönliche Bindung für die gesamte Dauer des Online-Parteitages an einen stimmberechtigten Teilnehmer gewährleistet, ist nicht nachzuvollziehen. Genauso wenig ist es nachzuvollziehen, wer überhaupt Zugriff auf die verwendete Mumble-Instanz hat, und welche Möglichkeiten sich hieraus ergeben. Weiterhin ist die Integrität der verwendeten Software fraglich – es handelt sich zwar um Open-Source-Software; aber ob sie in der Originalversion oder modifiziert eingesetzt wird, lässt sich nicht überprüfen. Gegen mögliche „Backdoors“ (Zugriffsmöglichkeiten Dritter) sind keinerlei Vorsichtsmaßnahmen erkennbar.

Die Akkreditierung des Klägers ist vollständig nicht nur ohne visuellen, sondern auch ohne akustischen Kontakt (mit einer zumindest rudimentären Erkennbarkeit), erfolgt. Die einzige Kontaktaufnahme erfolgte über den schriftlichen Mumble-Chat („Hallo Thomas!“ - „Hallo“), unmittelbar danach wurde der offenbar bekannte und zertifizierte Mumble-Account des Klägers ohne Abfrage der im Vorfeld per unverschlüsselter und unsignierter (und damit leicht manipulierbaren) E-Mail versandten PIN freigeschaltet – zu diesem Zeitpunkt hätte jeder, der Zugriff auf den Rechner des Klägers hat, sich als berechtigter Teilnehmer ausgeben können. Eine gewisse Identifizierung des Klägers durch Dritte war erst zu dem Zeitpunkt möglich, als dieser sich akustisch an der Meinungsfindung beteiligte (charakteristische Sprache). Es ist anzunehmen, dass Fehlakkreditierungen problemlos möglich gewesen sind und spätestens nach Auswertung dieses Onlineparteitages auch versucht werden.

Weiterhin ist nicht nachzuvollziehen, ob alle stimmberechtigten Mitglieder über ihre Teilnahmemöglichkeit informiert waren (allerdings haben sie hierbei auch eine gewisse eigene Informationspflicht) und ob sie tatsächlich ihre per offener E-Mail versandte PIN erhalten haben, die (eine) Grundlage für ihre Akkreditierung bilden sollte.

zu Punkt 3 und 5:

Es existieren mindestens folgende Möglichkeiten, selbst bei einer erfolgreichen und ursprünglich an die stimmberechtigte Person gebundenen Mumble-Zertifizierung, dass das letztlich protokollierte Abstimmungsverhalten nicht dem Willen der am Online-Parteitag teilnehmenden Mitglieder entspricht:

  • Während der Online-Sitzung verfügt jemand Drittes am Ort des Mitgliedes über dessen Zugang.
  • Ein berechtigtes Mitglied wird zu einem bestimmten Stimmverhalten genötigt. Dies wird bei einem Präsenzpartei wesentlich einfacher offenbar als bei einem Online-Parteitag.
  • Aus Angst vor Sanktionen stimmt ein berechtigtes Mitglied entgegen seiner eigentlichen Meinung ab. Diese Sanktionsangst wird durch die einfache Aufzeichnung („Screenshots“) des Abstimmungsverhaltens befördert. Letzteres per Geschäftsordnung zu verbieten ist wirkungslos, besonders für Außenstehende. Die Vertraulichkeit des Abstimmungsverhaltens ist massiv beeinträchtigt.
  • Während der Online-Sitzung verschafft sich jemand Drittes, der Zugang zur Software hat, Verfügungsgewalt über den Mumble-Account.
  • Durch zusätzliche „Fake-Mitglieder“ (s. Punkt 2) ist insbesondere bei knappen Abstimmungsergebnissen dieses leicht verfälschbar.
  • Die automatisierte Erfassung der „Ja“- und „Nein“-Stimmen durch ein Sich-Verschieben der abstimmenden Teilnehmer in entsprechende Mumble-“Räume“ ist softwaremäßig verfälschbar. Dies ist bei geringer Teilnehmerzahl aufgrund der einfachen visuellen Kontrolle der Abstimmungsräume unproblematisch, bei größerer Teilnehmerzahl sind knappe Ergebnisse softwaremäßig leicht verfälschend darstellbar.
  • Offensichtlich abwesende, aber weiterhin eingeloggte, Teilnehmer werden durch mit besonderen Mumble-Rechten ausgestatteten Beteiligte in Abstimmungsräume manuell verschoben. Dies ist allerdings mit einer beachtlichen Entdeckungsgefahr verbunden.
  • Technische Probleme werden bei unliebsamen Abstimmungen durch Personen, die Zugriff auf die serverseitige Technik haben, vorgetäuscht. Dieses Verfahren kann besonders bei eng terminierten Sitzungen erfolgreich sein und stellt eine qualitativ neue Möglichkeit des „Trollens“ dar.

Diese Manipulationsmöglichkeiten zeichnen sich weitgehend durch ein geringes Entdeckungsrisiko aus, was charakteristisch für softwaremäßig unterstützte Abstimmungsverfahren ist. Notwendige besondere Absicherungsmaßnahmen dagegen sind nicht erkennbar.

zu Punkt 4:

Wie dargestellt, beruht der gesamte Online-Parteitag darauf, dass alle Verantwortlichen ohne bösartige Absichten gehandelt haben und die eingesetzte Technik einwandfrei und unbeeinträchtigt durch den Zugriff Dritter funktioniert.

Diese Annahme lässt sich aber bestenfalls als „blauäugig“ bezeichnen. Bisherige Piraten-Präsenz-Parteitage sind immer wieder mit der Vermutung konfrontiert worden, dass seitens der Versammlungsleitung oder durch Dritte unzulässig in deren Ablauf und insbesondere in die Abstimmungen eingegriffen haben. Diese Möglichkeiten verlagern sich auf dem Online-Parteitag zum Teil auf diejenigen, die administrativen oder technischen Zugang zur verwendeten Soft- und Hardware haben.

Der administrative oder technische Zugang kann -unberechtigt- auch durch externe Dritte erfolgen. Obwohl dieses Szenario für den (erstmalig durchgeführten) Online-Parteitag der Brandenburger Piraten mit seiner sehr begrenzten Wirkung auch vom Kläger für unwahrscheinlich gehalten wird, steigt diese Wahrscheinlichkeit jedoch mit weiteren derartig durchgeführten Online-Parteitagen. Die bekannte Technik-Affinität eines Großteils von Piraten lässt derartige Versuche selbst aus dem Parteiumfeld geradezu vermuten. Umso mehr besteht die Gefahr einer Manipulation durch parteiferne Akteure, sobald zu vermuten ist, dass von Online-Parteitagen unliebsame Wirkungen ausgehen.

Aus Sicht des Klägers sind die aufgeführten Punkte hinreichend, um bereits die Integrität des durchgeführten Online-Parteitages in Frage zu stellen. Ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen, die nach Meinung des Klägers allerdings zu weiteren Komplikationen führen werden und die Vefahrenstransparenz weiter absenken werden, sind Folge-Onlineparteitage aber geradezu fahrlässig.

zu Punkt 6:

Die aufgeführten Manipulationsmöglichkeiten lassen ausreichend Zweifel an der Willensbildung auf dem durchgeführten Online-Parteitag aufkommen, so dass die Feststellung der Ungültigkeit aller Abstimmungsergebnisse als geboten erscheint. Da die meisten Abstimmungsergebnisse jedoch mit sehr deutlichen Mehrheiten versehen waren, ist insbesondere das Abstimmungsergebnis zum Positionspapier 4 mit 10 „Ja“-Stimmen und 6 „Nein“-Stimmen bei 6 Enthaltungen begründet in Frage zu stellen.

Das Gericht möge berücksichtigen, dass der Nachweis von Manipulationen von softwaretechnisch unterstützten Systemen mit zeitlich beschränkter Existenz durchweg schwierig ist, und dass im Gegenzug ein Entdeckungsrisiko wesentlich geringer ist als bei herkömmlichen Verfahren.

Der Kläger erhofft sich mit der Entscheidung zu dieser Klage bessere Klarheit über die rechtliche Zulässigkeit von mit technischen Hilfsmitteln durchgeführte Online-Piraten-Parteitage. Hinweise zu den Möglichkeiten, wie diese zukünftig auszugestalten sind, sind ihm willkommen.

Cottbus, 20. März 2017

Thomas Langen