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Bereits zum zweiten Mal veranstaltete die Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen an diesem Samstag einen Netzpolitischen Kongress. Unter dem Motto „Ein Gesellschaftsvertrag für das digitale Zeitalter“ wurden in Reden und zahlreichen Workshops die Zielstellungen und Arbeitsergebnisse grüner Netzpolitik vorgestellt und diskutiert.
Die inhaltlich sehr guten Reden von MdB Dr. Konstantin von Notz (Sprecher für Innen- und Netzpolitik) sowie von MdB Tabea Rößner (Sprecherin für Demografie- und Medienpolitik) erweckten den Eindruck, die Schreiber hätten vorher umfangreich die netzpolitischen Beschlüsse der Piratenpartei studiert. Würden die Grünen glaubhaft für die in den Reden angesprochenen Punkte einstehen und danach handeln, wäre dies ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Die Keynotes von Prof. Lawrence Lessig, „Only the net can save us, and save us it must“ und Ben Scott, „Digital disruption – building a progressive policy agenda for the internet“ waren einfach nur der Hammer! Sollten diese demnächst auf youtube und Co zu finden sein, möchte ich wärmstens empfehlen diese anzusehen. Die angesprochenen Ansätze waren zwar nicht unbedingt neu, sind dafür aber hervorragend arrangiert und transportiert worden.
In der ersten Workshopphase besuchte ich Workshop 2: „Ein gleichberechtigter Zugang zum Netz für alle“. MdL Matthi Bolte (Sprecher für Netzpolitik und Datenschutz LT NRW) und Sabrina Ortmann von der Initiative D21 (http://www.initiatived21.de/) stellten darin die Ergebnisse vom aktuellen (N)onliner Atlas vor. Durch kritische Nachfragen seitens der Gäste stellte sich allerdings heraus, dass die darin erhobenen Daten recht oberflächlich sind. So gibt die Studie beispielsweise weder Auskunft über die Gründe fürs offline sein, noch legt sie eine adäquate Definition von „Breitband“ zugrunde. In der daraufhin entstandenen Diskussion, wurde 6 Mbit als Mindestgeschwindigkeit genannt, um eine ausreichende Teilhabe zu ermöglichen. Dies war ein Ergebnis einer als „groß und sehr teuer“ betonten Studie vorgestellt, die durch die Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben wurde. Insgesamt empfand ich diesen Workshop als furchtbar enttäuschend und wenig zielführend.
Pad und Mitschnitt: http://www.gruene-bundestag.de/fraktion/netzpolitischer-kongress_ID_4385426/2-ein-gleichberechtigter-zugang-zum-netz-fuer-alle_ID_4385584.html
Während der zweiten Workshopphase besuchte ich Workshop 9: „Das Urheberrecht im Internet: zwischen Partikularinteressen, offenen Lizenzen und gesellschaftlichem Ausgleich“. Leonhard Dobusch (FH Berlin), Joerg Heidrich (Justiziar Heise-Verlag) und Philipp Otto (iRights.info) stellten darin ihre Thesen für ein modernes und faires Urheberrecht vor. Angesprochen wurden u.a. das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die geplante Verlängerung der Schutzfristen, Creative Commons und die Fair Use Policy. Dieser Workshop war wesentlich interessanter als meine Wahl in der ersten Workshopphase.
Die Podiumsdiskussion „Die Rolle des Staates im digitalen Zeitalter“ begann zwar recht stark, ließ dann aber ziemlich nach. Prof. Edda Müller (Vorsitzende Transparency International Deutschland) lieferte einige interessante Beiträge, schien aber im digitalen Zeitalter noch nicht vollständig angekommen zu sein. MdB Jürgen Trittin (Fraktionsvorsitzender) führte wie aus dem Bilderbuch vor wie man minutenlang reden kann, ohne auf die eigentlich gestellte Frage zu antworten. Der Fragesteller wollte wissen, ob und wie man sich eine Verankerung der Grundsätze des freien Internets im Grundgesetz vorstellen könnte. Auch hier ist das Anschauen einer eventuell vorhandenen Aufzeichnung noch durchaus zu empfehlen.
Den Abschluss bildete das Podiumsgespräch „Illegale Fans? Vergüten statt verfolgen“ zwischen MdB Claudia Roth (Sprecherin für Auswärtige Kulturpolitik & Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien) und Philipp Grütering (Deichkind). Grütering findet Abmahnungen zwar doof, kennt sich aber eigentlich nicht so gut aus. Weiterhin sei die C3S, eine alternative Verwertungsgesellschaft (http://c-3-s.de/), zwar für neue Künstler sicher sehr interessant, für Deichkind aber zu risikobehaftet. Die Band gehört seit einiger Zeit nämlich zu den wichtigen 5% der GEMA-Mitglieder, die über alle Anderen bestimmen dürfen. Die Arbeitsweise der GEMA findet Grütering zwar auch doof, alles sei aber sehr kompliziert und so gut kenne er sich auch gar nicht damit aus. Über die Lippen von Frau Roth kam kaum mehr, als die ständige Erwähnung wie toll sie Deichkind findet, und dass sie sicher bald Platin bekommen. Aber so genau kennt auch sie sich wahrscheinlich gar nicht aus.
Insgesamt hat mir der Kongress mit einigen Abstrichen (Workshop 2 und das abschließende Podiumsgespräch) aber sehr gut gefallen. Es gab eine ausreichende Versorgung an Mate und zumindest ein Teil der Grünen scheint sich ernsthaft mit Netzpolitik zu beschäftigen. Wir werden den weiteren Verlauf mit Sicherheit aufmerksam und kritisch verfolgen.