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Schulungsreihe Kommunalpolitik - Kreisverband Oberhavel der Piratenpartei

  • von Bernd Weber, 21.03.2012

1. Thema: Die Stellung der Kommunen im Staats- und Rechtssystem Deutschlands

1.1. Gliederung der Bundesrepublik unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Ebene

Föderativer Staatsaufbau der Bundesrepublik. Art. 28 GG: Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung. Neben dem Föderalismus ist die bürgerschaftliche Selbstverwaltung eines der Leitmotive der freiheitlichen, sozialen und rechtsstaatlichen Ordnung. Dreistufiger Verwaltungsaufbau: Bund, Länder und Kommunen.

Die Regelung kommunaler Strukturen, Aufgaben und Befugnisse ist Sache der Bundesländer. Historisch in Deutschland vor etwa 200 Jahren in Preußen entstanden (Stein-Hardenbergsche Reformen): Schaffung eines neuen modernen Fundamentes des Staates; mehr Bürgerbeteiligung zunächst nur in den Städten (vorher schon galt: „Stadtluft macht frei!“). Erst später auf dem Land.

Wachstum der Städte durch industrielle Entwicklung und Bevölkerungszuwachs stellte Kommunen vor große Herausforderungen (Wohnungsbau, Infrastruktur, Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen usw.).

Allmähliche Angleichung der ländlichen Verhältnisse an die städtischen in der Zeit der Weimarer Republik. Ausbau der Selbstverwaltung der Kreise (Übernahme zahlreicher Aufgaben, Infrastrukturpolitik.

1933 gab es einen tiefen Einschnitt in die kommunale Selbstverwaltung: Abschaffung der Länder, Aufgabenzentralisierung und politische Gleichschaltung. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieben als Verwaltungsträger nur die Städte, Kreise und Gemeinden bestehen. Länderbildungen in allen Besatzungszonen.

In der frühen DDR wurden sie wieder abgeschafft. Wieder Bildung von Verwaltungseinheiten (Bezirken) mit sehr eingeschränkten Befugnissen. Staatliche Zentralisierung und erneute Gleichschaltung. Bürgerwille wurde nur innerhalb der engen Systemgrenzen erlaubt. Keine echte bürgerschaftliche Selbstverwaltung.

1990 Wiedergründung der Länder im Osten und Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung auf allen Ebenen.

Anhaltende Tendenz in Deutschland, leistungsfähige kommunale Strukturen zu gewährleisten, z.B. durch: Zusammenschluss von kleinen Gemeinden zu Ämtern Samtgemeinden, Gemeindeverbänden; Eingemeindungen; Kreisgebietsreformen; Versuche, kleine Bundesländer zu fusionieren. Problem der zunehmenden Bürgerferne (Verwaltungen und Vertretungen)!

Lösung aller Angelegenheiten der Daseinsvorsorge. Strittig ist, was dazu gehört (früher z.B. Post, städtische Energieversorgung, Abfallbeseitigung). Privatisierung der Daseinsvorsorge als Haupttendenz – aber auch Gegentendenzen (z.B. Rückkauf Energieversorgung, Wasserbetriebe)

1.2. Das Rechtssystem und die Rechtsetzungsmöglichkeiten der Kommunen

Hierarchisch aufgebautes Rechtssystem: von oben nach unten – Grundgesetz, Bundesgesetze, Landesgesetze, Beschlüsse und Satzungen auf kommunaler Ebene. Heutzutage greifen immer stärker EU-Verordnungen und –Beschlüsse!

Kommunale Ebene: Organisationshoheit, Finanzhoheit, Abgabenhoheit, Personalhoheit – Beamte und Angestellte, Planungshoheit. Gemeinden können durch ihre jeweiligen Vertretungskörperschaften beschließen: Abgabenerhebung auf der Grundlage von Satzungen (z.B. Straßenausbau, Bibliotheksbenutzung, Kitabeiträge) – dienen der Finanzierung kommunaler Aufgaben (vollständig oder nur teilweise). Bebauungspläne, Wirtschaftspläne, Gemeindehaushalt, Bauaufträge, Dienstleistungen usw. Es muss immer unterschieden werden, ob es sich um die Anwendung von öffentlichem Recht (z.B. Abgabenordnung) oder bürgerlichem Recht (z.B. Vertrag mit Baufirma für Schulneubau) handelt. Anschluss- und Benutzungszwang (z.B. Abwasser, Straßenreinigung, Abfallentsorgung).

Gemeinden finanzieren sich aus: Steuern (z.B. Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer), Zuweisungen der höheren Ebenen, Finanzausstattung durch Aufgabenwahrnehmung höherer Ebenen, Abgaben und Beiträge der Gemeindebürger (manchmal auch der Gemeindebesucher). Probleme mit der Leistungsfähigkeit einzelner Kommunen (hohe Verschuldung zu Lasten der Gemeindebürger).

Landkreise finanzieren sich aus: Gemeindeumlage, Zuweisungen des Bundeslandes, Finanzausstattung durch Aufgabenwahrnehmung des Landes/Bundes, Abgaben und Beiträge der Nutzer. Sie haben die gleichen Rechtsetzungsmöglichkeiten wie die kreisangehörigen Gemeinden (typisch: Satzung der Kreisvolkshochschule, der Kreisbibliothek).

Bildung von kommunalen Zweckverbänden und kreiseigenen Gesellschaften (z.B. für Wasserwirtschaft, Wirtschaftsförderung, öffentlichen Personennahverkehr).

Zum Zwecke der Interessenvertretung gegenüber den höheren Ebenen gibt es Vereinigungen (Landkreistag, Städte- und Gemeindebund). Die Bundesländer haben dafür den Bundesrat mit teilweise Sperrmöglichkeit gegenüber dem Bund (starker Föderalismus in Deutschland).

1.3. Die Aufgaben der Kommunen im Staatssystem

Gemeinde: unterste selbständige Gebietseinheit im Staat. Kennzeichen:

  1. Gemeindegebiet
  2. Gemeindebürger
  3. eigene Organe (z.B. Gemeindevertretung, Bürgermeister)
  4. eigene Kompetenzen (Selbstverwaltungsaufgaben).

„Allzuständigkeit“ der Gemeinde – es gibt keine Aufgabenbeschränkung.

Subsidaritätsprinzip als grundlegendes Organisationsprinzip des Staates.

„Grundschule der Demokratie“ – Nähe und Überschaubarkeit, Durchschaubarkeit der Probleme, unmittelbare Einflussnahme der Bürger, persönliche Erfahrbarkeit von Verwaltungshandeln. Bsp.: Einwohnerversammlungen, öffentliche Anhörungen, Bürgersprechstunden, Bürgeranfragen an Vetretungskörperschaften, Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten, Akteneinsichtsrecht, beratende Gremien (Gleichstellungsbeirat, Ausländerbeirat, Seniorenbeirat, Kinder- und Jugendparlament, Ortsbeiräte in eingemeindeten Dörfern).

3 Aufgabenbereiche:

  1. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach oder ohne Weisung (z.B. Schulverwaltung, Bauleitplanung, Abfallbeseitigung, Wohngeld, Kindergarten)
  2. freiwillige Aufgaben (z.B. Wirtschaftsförderung, Kulturförderung, Vereinsförderung, Städtepartnerschaften)
  3. Auftragsaufgaben (z.B. Umsetzung von Gesetzen aus der Bundes- und Landesebene). Staat behält sich aber das Recht der rechtsaufsichtlichen Kontrolle vor. Kreisangehörige Gemeinden stehen unter Rechtsaufsicht der Landkreise. Landkreise und kreisfreie Städte unter Rechtsaufsicht des Bundeslandes. Daneben gibt es auch reine Fachaufsichten (z.B. durch die Landesjugendämter).