Unterstütze uns! Spende jetzt!

Änderungen

Wechseln zu: Navigation, Suche

Antragsfabrik/LPT 2012.2/Gesundheitswesen

6.244 Bytes hinzugefügt, 20:57, 9. Jul. 2012
keine Bearbeitungszusammenfassung
Im Antrag ist nur von den üblichen schulmedizinischen Instrumentarien die Rede. Wichtig scheint mir zu sein, dass Alternative Medizin in einer "Gesundheitsgesellschaft der Zukunft" eine stärkere Berücksichtigung finden sollte.
@ [[Benutzer:Achim Ag]] (Agnito)
 
Erstmal herzlich Dank für die Frage und Anregung.
 
Der Einfachheit halber fang ich mal mit Punkt 2) an: "Alternativ-" bzw. "Komplementärmedizin"
 
Natürlich muss auch auf diesem Gebiet noch viel getan und verändert werden. Allerdings geht es mir bei dem Antrag zunächst um eine Grundstruktur. Welche Leistungen dann von der Gesellschaft übernommen werden, habe ich absichtlich ausgeklammert. Die Diskussion darum, was Gesundheit der Gesellschaft wert ist und welche Maßnahmen in einen Leistungskatalog aufgenommen werden sollen, wird sicher spannend. Und wenn sich dann beispielsweise alle dafür entscheiden, TCM oder Phytotherapie oder Homöopathie etc. mit einzuschließen, dann wären nach meinem Antrag alle Durchführenden (z.B. Heilpraktiker) ebenfalls Angestellte im öffentlichen Dienst.
 
Okay, jetzt Punkt 1): "Verstaatlichung"
 
Doch, genau das stell ich mir vor. Lass mich versuchen, es zu erklären:
 
Erstmal eine Definitions-Klärung: "Gewinn" bedeutet für mich und im Folgenden ein "Gewinn", der aus dem Gesundheitssystem herausgezogen wird.
 
Und dann noch die Grundhypothese meiner Argumentation: "Das Gesundheitssystem muss solidarisch organisiert sein." Ich denke, es will keiner in die Zeiten zurück, in der es keine Krankenversicherung gab, und wir sind uns alle einig darüber, dass Gesundheit genauso eine Voraussetzung für das Bestehen einer Gesellschaft ist wie Bildung, Sicherheit, Arbeit, oder?
 
Okay, deshalb zahlen wir alle auch gern unsere Krankenversicherungsbeiträge, da wir sicher sind, im Krankheitsfall gut abgesichert zu sein. Nenn mir eine einzige andere Steuer, Versicherung oder Abgabe, die so unkritisch geleistet wird. Wir zahlen also alle in einen großen Topf ein und wenn`s jemanden erwischt, dann sind alle für ihn da. Eigentlich eine phantastische Sache.
 
Jetzt kommt das Problem mit dem Gewinn: Warum kann sich jemand aus diesem Topf bedienen, der ja eigentlich für die Krankenversorgung gedacht ist? Stell Dir das mal im Kleinen vor .. hm .. z.B. bei einer Eigentümerversammlung eines Mehrparteien-Hauses. Da legt jeder Wohnungseigentümer jeden Monat einen festen Betrag in den Topf für Wartungs- und Reparatur-Arbeiten .. und dann kommt einer und kauft sich dafür ein Auto. Oder die Klassenkasse meiner Kinder .. oder die Kaffeekasse eines Betriebs. Das sind alles Töpfe, die eigentlich zweckgebunden sind. Und der Aufschrei wäre gross, wenn draus jemand seinen persönlichen Gewinn bestreitet.
 
Unter'm Strich: Da wir alle in diesen Topf einzahlen, muss - meiner Meinung nach - jeder einzelne Euro auch diesem Zweck zugute kommen. Ich jedenfalls sehe keinen Sinn darin, wenn ein nicht unerheblicher Teil meines Krankenkassen-Beitrags bei irgendwelchen Aktionären landet (Anmerkung: Die Kommunen sind da momentan auch nicht besser; Da versanden Krankenhaus-Gewinne dann im allgemeinen Kommunal-Haushalt).
 
Soweit das "ethische" Problem des Gewinns. Jetzt zur möglichen "Gewinnmaximierung":
 
Es ist leider absolut menschlich, dass versucht wird, einen möglichen Gewinn mit legalen oder illegalen Mitteln zu maximieren. Ein paar Beispiele habe ich schon in der Begründung aufgeführt, aber hier noch ein paar:
* Die alljährlich wieder aufkommenden Abrechnungsbetrügereien ziehen zusätzlich auch immer noch einen Schwanz an weitere Kosten (Ermittlung, Verurteilung etc.) nach sich (z.B. http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/621930/grossrazzia-berliner-drk-kliniken-mvz.html).
* Helios hat vor fünf Jahren versucht, einen Grossteil ihrer "teuren" Narkoseärzte einzusparen und durch wesentlich billigere Medizinischen Assistenten für Anästhesie (MAfA) zu ersetzen (http://www.zwai.net/pflege/Weiterbildung/Journal/Anaesthesie-Assistent/Das_MAfA-Konzept_-_Chronologie_einer_Spitzenqualifikation/). Es endete in einer Katastrophe.
Ich gebe zu, dass ich insbesondere Helios auf dem Schirm habe, weil die auch massiv daran arbeiten, die ärztliche Entscheidungsfreiheit zu reduzieren. Diagnosen und Therapien werden in "Behandlungs-Pfade" gegossen, von denen man nicht abweichen darf. Eine individuelle Behandlung wird damit unmöglich.
* Und dann noch Millionen unnötiger, teurer und sogar riskanter Untersuchungen und Behandlungen (z.B. http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/unnoetige-behandlungen-aerzte-operieren-um-die-miete-reinzubekommen-a-780453.html)
* Noch eins aus persönlicher Erfahrung: Patient nach Verkehrsunfall mit einem schwersten Schädel-Hirn-Trauma. Bereits nach 24 Stunden konnte man sicher sein, dass der Arme hirntod ist. Mein damaliger Chef hat mir verboten, eine Hirntod-Diagnostik durchzuführen (in der Folge hätte man ihn für Tod erklärt), weil nach 96 Stunden künstlicher Beatmung ein wesentlich höherer Erlös erzielt werden konnte. Also blieb der Patient bis zum Erreichen der 96-Stunden-Grenze künstlich am Leben gehalten.
 
Bitte glaube in diesem Bereich nicht mehr an das Gute im Menschen!
 
Das sind alles Folgen der Gewinn-Möglichkeit. Ich hoffe, dass Du mir jetzt zustimmen kannst, dass diese im Gesundheitswesen ausgeschlossen sein muss. Erst wenn jeder Tätige (Arzt, Schwester, Heilpraktiker, Apotheker, Rettungsassistent etc.) ein gewinn-unabhängiges Gehalt bekommt, kann er sich wieder auf seine eigentlichen Aufgaben besinnen (und z.B. sich auch mal wieder mit dem Patieten unterhalten!).
 
Natürlich kann man das "Gewinn-Problem" rechtlich lösen. Aber wenn kein Gewinn mehr möglich ist, welcher Privat-Unternehmer wird sich dann noch engagieren?
Und die Konkurrenz? Es gilt leider für nahezu alle Bereiche unseres Lebens: Konkurrenz heute heist allein, wer ist am billigsten? Nirgendwo wird noch mit Qualität geworben.
Beispiel: Wenn ein Landkreis einen Rettungsdienstbereich (Rettungswachen, -assistenten etc.) öffentlich ausschreibt, dann muss er laut EU-Richtlinie den billigsten Anbieter nehmen. Auch hier spielt Qualität keine Rolle mehr.
 
Schönes Positiv-Beispiel ist Schweden (http://www.aok-bv.de/politik/europa/index_01403.html). Auch dort ist natürlich manches verbesserungswürdig, es gilt aber überall als vorbildlich. Nicht umsonst sind viele meiner Kollegen dorthin abgewandert.
 
Hoffe, dass ich Dich ein wenig überzeugen konnte ... :-)
==== Argument 1 ====
4.328
Bearbeitungen

Navigationsmenü