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Vielleicht sollten wir für uns klären wie wir Schule steuern wollen. Über administratives Eingreifen oder über einen Wettbewerb zwischen den Schulen. Welche Rolle könnten z.B. Schulen in freier Trägerschaft bei der Grundversorgung in der Peripherie und bei der Qualitätsentwicklung spielen?
Ein kurzer Ritt durch schulpolitische Realitäten
„Die Schulen bestimmen im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre pädagogische didaktische, fachliche und organisatorische Tätigkeit selbst.“ § 7 Abs. 1 Satz 1 BrbSchulG
„Die Schulkonferenz berät und entscheidet im Rahmen von §7 Abs. 1 die wichtigen Angelegenheiten der Schule und vermittelt bei Meinungsverschiedenheiten.“ § 91 Abs. 1 Satz 1 BrbSchulG
Die zwei Aussagen aus unserem Schulgesetz stehen am Anfang der Diskussion, um deutlich zu machen, wo sich die Zukunft unserer Schulen am Ende entscheiden wird. Jede einzelne Schule muss sich selbst auf den Weg machen. Es ist gemeinsame Aufgabe von Eltern, Schülern und Lehrern - der Schulgemeinschaft – sich den allgemeinen und konkreten Herausforderungen zu stellen und für sich eine spezifische Lösung zu finden. Das Land Brandenburg wird die Qualitätsprobleme an unseren Schulen nicht lösen, gleichwohl es über die Einflussnahme auf Rahmenbedingungen etwas zum Erfolg beitragen kann und muss.
Erster Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg ist mangelndes Verständnis für Mitwirkung und Demokratie bei vielen Beteiligten. Hier kann nur die gelebte Praxis, getragen vom Engagement und Vorbild Einzelner, sein es Schulleiter, Lehrer, Eltern oder Schüler langfristig zu einer Änderung der Situation führen. Heute halten die meisten Schulleitungen die Hintergründe zu ihren Entscheidungen bewusst intransparent, geschweige denn, dass sie es ernsthaft akzeptieren, dass die Entscheidungsbefugnis in allen relevanten Fragen nicht bei ihnen, sondern bei der Schulkonferenz liegt. Oftmals werden sogar gesetzliche Mitwirkungsrechte schlicht ignoriert. Viele Eltern und Schüler fühlen sich mit ihren Rechten überfordert und vertrauen lieber auf das Urteil der Lehrer bzw. der Schulleitung, anstatt sich ein eigenes Bild von der Sache zu machen. Unzeitgemäße Auffassungen, insbesondere in didaktischen Fragen, sind sowohl bei Eltern, als auch bei Lehrern weit verbreitet. Viele Lehrer schrecken davor zurück ihren Unterrichtsstil grundsätzlich zu hinterfragen und umzugestalten. Statt auf die Kinder zu hören, welcher Unterricht sie anspricht und ihnen Spaß macht, verteidigt man gemeinsam mit den Eltern das eingefahrene Unterrichtsschema. „Frontalunterricht hat uns ja schließlich auch nicht geschadet.“
Eine wesentliche Ursache für das schlechte fachliche Abschneiden Brandenburger Schüler (siehe z.B. http://www.iqb.hu-berlin.de/aktuell/dateien/LV_ZF_0809b.pdf) liegt eben genau im didaktischen Vorgehen der Lehrkräfte. 20 Jahre theoretische Schulforschung und empirische Schulentwicklung haben gezeigt, dass gewisse Unterrichtsformen häufig zu unterdurchschnittlichen Ergebnissen führen. Manche Erkenntnis hat bereits Eingang in die Rahmenlehrpläne gefunden. Die Rhythmisierung des Tagesablaufs etwa sollte heute eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wenn es z.B. in den Rahmenlehrplänen der Grundschulen heißt: „Ein Stundenplan mit der Einteilung nach der starren 45-Minuten-Einheit wird den beschriebenen Anforderungen an das Lernen und Unterrichten oft nicht gerecht.“ Rahmenlehrpläne Seite 13
Da erwartet man schon von einer Schule die nach einem klassischen Schema unterrichtet, dass sie explizit darlegt, warum sie meint dennoch in der Lage zu sein den durch die Rahmenlehrpläne verbindlich gesetzten Anforderungen gerecht zu werden.
Schlechter Brandenburger Standard ist es nach wie vor, dass in der Fläche Klassen und keine Schüler unterrichtet werden. Im §3 BrbSchulG Abs.1 Satz 3 heißt es "Es ist Aufgabe aller Schulen, jede Schülerin und jeden Schüler individuell zu fördern. Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen, sozial Benachteiligte Schülerinnen und Schüler sowie Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sind besonders zu fördern". In den verbindlichen Rahmenlehrplänen für die Grundschule liest sich dieses Bildungsrecht z.B. so: "Die Grundschule hat den Auftrag, alle Schülerinnen und Schüler umfassend zu fördern. Besondere Begabungen müssen erkannt und gefördert, Benachteiligungen ausgeglichen werden. Im Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Lernausgangslagen und Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler gilt es, ihre Verschiedenheit anzunehmen und durch Differenzierung im Unterricht jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler in ihrer bzw. in seiner Lernentwicklung individuell zu fördern. Dazu gehört auch, die Mädchen und Jungen in ihrer unterschiedlichen Individualität zu stärken, ihre Unterschiede im Lernen zu berücksichtigen sowie gleichzeitig tradierte Rollenfestlegungen zu öffnen.“ Rahmenlehrpläne Seite 7
Wie weit dieser Anspruch von der Realität entfernt ist zeigen die Ergebnisse der Schulvisitation. (siehe http://www.isq-bb.de/Brandenburg.19.0.html ) Exemplarisch für diese Situation stehen die Ergebnisse der Unterrichtsbeobachtungen zum Punkt "Niveauunterschiede berücksichtigt" auf Basis von über 10.000 Beobachtungen an mehr als 400 Schulen in den letzten 3 Berichtsjahren. Niveauunterschiede zwischen den Schülern werden in über 25% der Fälle vollständig ignoriert, d.h. ob lernbehindert oder hochbegabt vor diesen Lehrern sind alle Schüler gleich. Bei weiteren 40% der beobachteten Unterrichtssequenzen wurde das unterrichtliche Vorgehen als "unter Standard" bewertet. Das heißt 2/3 des in Brandenburg erteilten Unterrichts wird dem gesetzlichen Bildungsrechtrecht unserer Kinder nicht gerecht. Überforderung bzw. Unterforderung sind der Normalfall an einer Brandenburger Schule.
Gerade im Bereich der „Individuellen Förderung“ zeigt sich deutlich, dass die Probleme mit Gesetzen und Verwaltungsvorschriften nicht zu lösen sind. Papier ist geduldig.
Aber auch fachlich muss die Leistung der Schulen, insbesondere in Englisch, hinterfragt werden. Auch 20 Jahre nach der Wende ist man nicht in der Lage einen angemessenen Englischunterricht anzubieten. Nirgendwo in Deutschland lernen Kinder weniger Englisch als in Brandenburg.
Die Schulvisitation zeigt ebenfalls erhebliche Mängel im Bereich des Qualitätsmanagements auf. Das Profilmerkmal PM 14 "Die Schulleitung unterstützt und sichert den Aufbau eines funktionsfähigen Qualitätsmanagements" wurde durch die Visitatoren im Großteil der Schulen als ungenügend bzw. mangelhaft bewertet. Und hier ist nicht von bereits existierenden Qualitätsmanagement die Rede, sondern lediglich vom Aufbau überhaupt irgendeiner Form systematischer Qualitätserfassung und Steuerung an den Schulen. Die Ergebnisse aus dem Qualitätsbereich 6 „Qualitätsentwicklung“ mit den Profilmerkmalen PM 17 "Die Schule arbeitet nach einem Schulprogramm, das gemeinsam erarbeitet wurde und die festgelegten Produkt und Prozesskriterien erfüllt" und PM 18 "Die Lehrkräfte, die zuständigen Gremien der Schule und die Schulleitung ergreifen Maßnahmen, um die Qualität des Unterrichts zu sichern und erforderlichenfalls zu verbessern" sind genauso katastrophal. Einzig das PM 7 "Lernkultur: Das unterrichtliche Vorgehen der Lehrerinnen und Lehrer ist Grundlage für einen zielgerichteten Lernprozess" schafft es bisweilen die miserablen Ergebnisse aus dem Qualitätsmanagement noch zu unterbieten. Zugespitzt formuliert: Lernen ist ein planloses Neben- und Durcheinander ohne Absprachen und gemeinsames Ziel, welches auch die meisten Schulleitungen schon längst nicht mehr Überblicken.
Beim Thema Qualität der Schulbildung spielen Unterrichtsausfall, sprich Personalschlüssel und Vertretungsreserve, räumliche Gegebenheiten und Ausstattung sicherlich auch eine Rolle, aber bis hierher könnten wir uns theoretisch auch über Lösungsansätze unterhalten die nichts oder nur sehr wenig mit Geld zu tun haben.
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