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==Auslandseinsätze der Bundeswehr im Spiegel des Parteiprogramms der Piratenpartei==
''"Piraten denken und handeln global. Wir formulieren nicht die Interessen Deutschlands oder Europas, sondern eine Außenpolitik, welche die Bedürfnisse aller Menschen im Blick hat."''
Aus der 2012 auf dem Parteitag in Bochum beschlossenen Präambel des außenpolitischen Teils unseres Grundsatzprogramms lassen sich in Bezug auf Auslandseinsätze und militärische Interventionen eine Reihe von Punkten ableiten.
'''Auslandseinsätze im Sinne wirtschaftlicher und strategischer Ziele'''
Die Frage, ob und wie weit Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Sicherung wirtschaftlicher oder strategischer Interessen mit Unterstützung der Piratenpartei vorstellbar sind, lässt sich klar mit "Nein" beantworten. Kein Mensch kann ein Interesse daran haben, dass irgendeine Macht auf diesem Planeten ihre Interessen militärisch durchsetzt. Es sei denn, es handelt sich um die eigenen Interessen. Wir PIRATEN formulieren unsere Außenpolitik aber gerade ausdrücklich nicht auf Grundlage dieser eigenen Interessen.
'''Verteidigung und sicherheitspolitische Ziele'''
Der klassische Verteidigungsfall im Sinne des Artikel 115a Grundgesetz legitimiert selbstverständlich auch für die Piratenpartei eine militärische Antwort. Diese kann sich durchaus auch auf das Hoheitsgebiet des Aggressors ausdehnen. Soweit bestand bereits auf der ersten Potsdamer Konferenz 2011 Konsens unter den Anwesenden. Alle über den 115a hinausgehenden sicherheitspolitisch motivierten Auslandseinsätze der Bundeswehr werden im Sinne der Präambel abgelehnt. Untersützt wird diese Lesart auch durch das jüngst in Neumarkt beschlossene Wahlprogramm, wo es heißt: ''"Unsere Sicherheitspolitik muss eine langfristige Präventionspolitik sein, die auf Vermittlung und Deeskalation setzt. Wir bleiben einer Kultur der politischen Zurückhaltung mit militärischen Mitteln verpflichtet. Das Primat der Politik bedingt, dass der Einsatz militärischer Mittel immer nur eine letzte Option sein kann."'' Im Sinne einer "letzten Option" wird hier ein vorsorglicher Auslandseinsatz zur allgemeinen Stärkung "unserer" Sicherheit klar abgelehnt.
"War on terror" wird es mit der Piratenpartei nicht geben, aber auch der Kosovokrieg wäre hinsichtlich seiner sicherheitspolitischen Dimension nicht zu unterstützen gewesen.
'''Menschenrechte und Schutz der Zivilbevölkerung'''
Offen lässt unser Programm allerdings die Frage, ob und in wie weit aus humanitären Gründen militärisch interveniert werden darf. Zweifelsfrei liegt das Unterbinden von Menschenrechtsverletzungen oder gar eines Völkermords im Interesse aller Menschen im Sinne der Präambel. Dazu führt das Grundsatzprogramm zunächst weiter aus: ''"Wir Piraten setzen uns für zivile Konfliktlösungen ein und wollen die Friedens- und Konfliktforschung stärker fördern. Wir unterstützen das Konzept von unbewaffneter, ziviler Krisenprävention."'' Dies deckt sich soweit auch mit den bereits genannten Formulierungen aus dem Wahlprogramm.
Nur kann jedoch aller Präventionspolitik zum Trotze eine Situation eintreten, wo nach dem Einschreiten Dritter aus humanitären Gründen verlangt wird. An dieser Stelle gilt es sich zunächst in Erinnerung zu rufen, dass ein jedes Menschenleben gleich viel wert ist und den gleichen Schutz verdient hat. Jede Abweichung von diesem Grundsatz ist mit Sicherheit nicht mehr im Sinne der Präambel zu rechtfertigen. Auf der Basis von "Double-Standards" muss ein solch moralischer Begründungszusammenhang, wie der Schutz von Menschenrechten, in sich zusammenbrechen. Damit nicht mitzweierlei Maß gemessen wird, gilt es zunächst allgemein eine Interventionsschwelle zu definieren. Mit dieser Definition werden zwangsläufig viele schutzwürdige Interessen der Menschen auf der Strecke bleiben. Folter und rassistisch motivierte Todesurteile gibt es auch in den USA. China verletzt massiv Menschenrechte und seine Tibetpolitik zielt auf Unterwerfung und Auslöschung eines einst freien Volkes und seiner Kultur. Es lassen sich Dutzende Beispiele von Staaten finden, wo ein eingreifen zum Schutz der Bevölkerung auf den ersten Blick geboten scheint. Wollen wir die jetzt alle angreifen? Hinzu kommen massive Menschenrechtsverletzungen, welche nicht unmittelbar von Staaten ausgehen. Kriminelle Banden, religiöser Fanatismus oder Produktionsverhältnisse, die mit Ausbeutung noch beschönigt beschrieben sind, seien mal als Stichworte genannt.
Selbst in Deutschland gelten manche der Artikel der Allgemeinen Menschenrechtserklärung nur für Deutsche. (Art. 13 Freizügigkeit, Art. 23 Recht auf Arbeit)
In einem kleinen Gedankenexperiment nehme ich mal Saudi-Srabien als Prüfstein. Ich will nicht darüber streiten, ob wir schwere Kriegswaffen dorthin liefern sollten, sondern ob eine militärische Intervention aus humanitären Gründen angebracht ist. In Saudi-Arabien gibt es keine Demokratie und keine Gewaltenteilung. Das Land wird von einem absolutischtisch herrschenden König und seiner Familie regiert. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Zensur ist an der Tagesordnung, eine freie Presse unbekannt. Demonstrationen sind verboten, es herrscht ein generelles Versammlungsverbot. Jede Form von Kritik am Königshaus ist verboten und wird gewaltsam unterdrückt. Es wird gefoltert. Frauen sind rechtlich stark benachteiligt und unterliegen in der Regel einer gesetzlichen männlichen Vormundschaft. Millionen Gastarbeiter aus Pakistan und Bangladesch leben in einem prekären Status, ohne faktisch einklagbare Rechte. Saudisches Geld finanziert religiösen Hass, Fanatismus und bisweilen auch Terrorismus rund um den Globus. Im arabischen Frühling zog saudische Militär in Bahrain auf, um den dortigen Aufstand gegen das örtliche Königshaus niederzuschlagen.
Wenn Menschenrechte kein wirklicher Grund sein können, bleiben Schutz vor Massenmord und ethnischen Säuberungen als Interventionsgründe übrig. Ich gehe davon aus, dass in Regionen wo hunderttausende oder gar Millionen Menschen auf der Flucht sind potentiell gute Gründe für eine militärische Intervention vorliegen könnten. Vergewaltigung, Mord und Vertreibung dürften eher die Regel als die Ausnahme sein. Also schaue ich mir diese Länder gemäß Statistik des Weltflüchtlingswerkes an:
Kolumbien - 3,8 Millionen (Drogenkrieg), Sudan - 3,4 Millionen (ethnisch-religiöse Konflikte), Afghanistan - 2,6 Millionen (ethnische Konflikte & westliche Interessen), Somalia - 2,5 Millionen (ethnische Konflikte), Demokratische Republik Kongo - 2,0 Millionen (ethnische Konflikte), Irak - 1,4 Millionen (ethnische-religiöse Konflikte & westliche Interessen)
Wer möchte in diesen Regionen militärische Verantwortung für die Sicherheit der Zivilbevölkerung übernehmen? Würde eine militärische Logik das Problem tatsächlich lösen? Würden die Gelder für einen Militäreinsatz nicht an anderer Stelle nachhaltiger wirken?
'''Schlussbemerkung'''
Die Welt des 21. Jahrhunderts verlangt nicht nach unseren Armeen von gestern, sondern nach Demokratie und einen globalen sozialen Ausgleich zwischen allen Menschen. Dumm nur, dass gerade wir die größten Profiteure des Ancien Régime sind. Gerade deshalb kann man die Bedeutung des Abschieds von nationalstaatlicher Interessenspolitik programmatisch gar nicht hoch genug einschätzen. Die Piratenpartei Deutschland ist und bleibt Teil einer internationalen Bewegung.
''"Piraten denken und handeln global. Wir formulieren nicht die Interessen Deutschlands oder Europas, sondern eine Außenpolitik, welche die Bedürfnisse aller Menschen im Blick hat."''
Aus der 2012 auf dem Parteitag in Bochum beschlossenen Präambel des außenpolitischen Teils unseres Grundsatzprogramms lassen sich in Bezug auf Auslandseinsätze und militärische Interventionen eine Reihe von Punkten ableiten.
'''Auslandseinsätze im Sinne wirtschaftlicher und strategischer Ziele'''
Die Frage, ob und wie weit Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Sicherung wirtschaftlicher oder strategischer Interessen mit Unterstützung der Piratenpartei vorstellbar sind, lässt sich klar mit "Nein" beantworten. Kein Mensch kann ein Interesse daran haben, dass irgendeine Macht auf diesem Planeten ihre Interessen militärisch durchsetzt. Es sei denn, es handelt sich um die eigenen Interessen. Wir PIRATEN formulieren unsere Außenpolitik aber gerade ausdrücklich nicht auf Grundlage dieser eigenen Interessen.
'''Verteidigung und sicherheitspolitische Ziele'''
Der klassische Verteidigungsfall im Sinne des Artikel 115a Grundgesetz legitimiert selbstverständlich auch für die Piratenpartei eine militärische Antwort. Diese kann sich durchaus auch auf das Hoheitsgebiet des Aggressors ausdehnen. Soweit bestand bereits auf der ersten Potsdamer Konferenz 2011 Konsens unter den Anwesenden. Alle über den 115a hinausgehenden sicherheitspolitisch motivierten Auslandseinsätze der Bundeswehr werden im Sinne der Präambel abgelehnt. Untersützt wird diese Lesart auch durch das jüngst in Neumarkt beschlossene Wahlprogramm, wo es heißt: ''"Unsere Sicherheitspolitik muss eine langfristige Präventionspolitik sein, die auf Vermittlung und Deeskalation setzt. Wir bleiben einer Kultur der politischen Zurückhaltung mit militärischen Mitteln verpflichtet. Das Primat der Politik bedingt, dass der Einsatz militärischer Mittel immer nur eine letzte Option sein kann."'' Im Sinne einer "letzten Option" wird hier ein vorsorglicher Auslandseinsatz zur allgemeinen Stärkung "unserer" Sicherheit klar abgelehnt.
"War on terror" wird es mit der Piratenpartei nicht geben, aber auch der Kosovokrieg wäre hinsichtlich seiner sicherheitspolitischen Dimension nicht zu unterstützen gewesen.
'''Menschenrechte und Schutz der Zivilbevölkerung'''
Offen lässt unser Programm allerdings die Frage, ob und in wie weit aus humanitären Gründen militärisch interveniert werden darf. Zweifelsfrei liegt das Unterbinden von Menschenrechtsverletzungen oder gar eines Völkermords im Interesse aller Menschen im Sinne der Präambel. Dazu führt das Grundsatzprogramm zunächst weiter aus: ''"Wir Piraten setzen uns für zivile Konfliktlösungen ein und wollen die Friedens- und Konfliktforschung stärker fördern. Wir unterstützen das Konzept von unbewaffneter, ziviler Krisenprävention."'' Dies deckt sich soweit auch mit den bereits genannten Formulierungen aus dem Wahlprogramm.
Nur kann jedoch aller Präventionspolitik zum Trotze eine Situation eintreten, wo nach dem Einschreiten Dritter aus humanitären Gründen verlangt wird. An dieser Stelle gilt es sich zunächst in Erinnerung zu rufen, dass ein jedes Menschenleben gleich viel wert ist und den gleichen Schutz verdient hat. Jede Abweichung von diesem Grundsatz ist mit Sicherheit nicht mehr im Sinne der Präambel zu rechtfertigen. Auf der Basis von "Double-Standards" muss ein solch moralischer Begründungszusammenhang, wie der Schutz von Menschenrechten, in sich zusammenbrechen. Damit nicht mitzweierlei Maß gemessen wird, gilt es zunächst allgemein eine Interventionsschwelle zu definieren. Mit dieser Definition werden zwangsläufig viele schutzwürdige Interessen der Menschen auf der Strecke bleiben. Folter und rassistisch motivierte Todesurteile gibt es auch in den USA. China verletzt massiv Menschenrechte und seine Tibetpolitik zielt auf Unterwerfung und Auslöschung eines einst freien Volkes und seiner Kultur. Es lassen sich Dutzende Beispiele von Staaten finden, wo ein eingreifen zum Schutz der Bevölkerung auf den ersten Blick geboten scheint. Wollen wir die jetzt alle angreifen? Hinzu kommen massive Menschenrechtsverletzungen, welche nicht unmittelbar von Staaten ausgehen. Kriminelle Banden, religiöser Fanatismus oder Produktionsverhältnisse, die mit Ausbeutung noch beschönigt beschrieben sind, seien mal als Stichworte genannt.
Selbst in Deutschland gelten manche der Artikel der Allgemeinen Menschenrechtserklärung nur für Deutsche. (Art. 13 Freizügigkeit, Art. 23 Recht auf Arbeit)
In einem kleinen Gedankenexperiment nehme ich mal Saudi-Srabien als Prüfstein. Ich will nicht darüber streiten, ob wir schwere Kriegswaffen dorthin liefern sollten, sondern ob eine militärische Intervention aus humanitären Gründen angebracht ist. In Saudi-Arabien gibt es keine Demokratie und keine Gewaltenteilung. Das Land wird von einem absolutischtisch herrschenden König und seiner Familie regiert. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Zensur ist an der Tagesordnung, eine freie Presse unbekannt. Demonstrationen sind verboten, es herrscht ein generelles Versammlungsverbot. Jede Form von Kritik am Königshaus ist verboten und wird gewaltsam unterdrückt. Es wird gefoltert. Frauen sind rechtlich stark benachteiligt und unterliegen in der Regel einer gesetzlichen männlichen Vormundschaft. Millionen Gastarbeiter aus Pakistan und Bangladesch leben in einem prekären Status, ohne faktisch einklagbare Rechte. Saudisches Geld finanziert religiösen Hass, Fanatismus und bisweilen auch Terrorismus rund um den Globus. Im arabischen Frühling zog saudische Militär in Bahrain auf, um den dortigen Aufstand gegen das örtliche Königshaus niederzuschlagen.
Wenn Menschenrechte kein wirklicher Grund sein können, bleiben Schutz vor Massenmord und ethnischen Säuberungen als Interventionsgründe übrig. Ich gehe davon aus, dass in Regionen wo hunderttausende oder gar Millionen Menschen auf der Flucht sind potentiell gute Gründe für eine militärische Intervention vorliegen könnten. Vergewaltigung, Mord und Vertreibung dürften eher die Regel als die Ausnahme sein. Also schaue ich mir diese Länder gemäß Statistik des Weltflüchtlingswerkes an:
Kolumbien - 3,8 Millionen (Drogenkrieg), Sudan - 3,4 Millionen (ethnisch-religiöse Konflikte), Afghanistan - 2,6 Millionen (ethnische Konflikte & westliche Interessen), Somalia - 2,5 Millionen (ethnische Konflikte), Demokratische Republik Kongo - 2,0 Millionen (ethnische Konflikte), Irak - 1,4 Millionen (ethnische-religiöse Konflikte & westliche Interessen)
Wer möchte in diesen Regionen militärische Verantwortung für die Sicherheit der Zivilbevölkerung übernehmen? Würde eine militärische Logik das Problem tatsächlich lösen? Würden die Gelder für einen Militäreinsatz nicht an anderer Stelle nachhaltiger wirken?
'''Schlussbemerkung'''
Die Welt des 21. Jahrhunderts verlangt nicht nach unseren Armeen von gestern, sondern nach Demokratie und einen globalen sozialen Ausgleich zwischen allen Menschen. Dumm nur, dass gerade wir die größten Profiteure des Ancien Régime sind. Gerade deshalb kann man die Bedeutung des Abschieds von nationalstaatlicher Interessenspolitik programmatisch gar nicht hoch genug einschätzen. Die Piratenpartei Deutschland ist und bleibt Teil einer internationalen Bewegung.