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WahleinspruchHVL

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Entwurf Begründung Zulassung der Berufung Version 2.0

Eine Berufung ist im Sinne des §124 VwGO zulässig, da

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

3. das Urteil in seiner Wirkung und Begründung der Entscheidung 2 BvK 01/07 des Bundesverfassungsgericht zu widerläuft,

4. das Verwaltungsgericht nicht die Verletzung von vier der fünf Wahlgrundsätze gewürdigt hat.


Zur Begründung:

Bei ordnungsgemäßer Anwendung des Rechts hätte das Verwaltungsgericht Potsdam erkennen müssen, dass 1. die Beglaubigungserfordernis bei Kommunalwahlen nach §28a Abs.4 BbgKWahlG unvereinbar mit der Landesverfassung und dem Grundgesetz ist, 2. die Wahlgrundsätze von freien, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen durch das BbgKWahlG verletzt werden, 3. Das die Entscheidung zum Landesverfassungsgericht bzw. zum Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden muss.

Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt. - Artikel 100 Abs.1 GG

Darüber hinaus stellt das Bundesverfassungsgericht in der Grundsatzentscheidung (2 BvR 1953/95 - Ziffer 59) über Zuständigkeiten bei Verfahren zum Landeswahlrecht fest:

In den Grenzen föderativer Bindungen gewährleistet das Grundgesetz Bund und Ländern eigenständige Verfassungsbereiche. Die Länder genießen im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie. In diesem Rahmen regeln sie Wahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes; [...] Ebenso hat jeder Richter das in einem Rechtsstreit erhebliche Landeswahlrecht auf seine Übereinstimmung mit den fünf Wahlrechtsgrundsätzen des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG zu überprüfen und das Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wenn er der Auffassung ist, es entspreche diesen Grundsätzen nicht.

Eine Prüfung des im vorliegendem Fall massgeblichen BbgKWahlG anhand der fünf Wahlgrundsätze hat das Verwaltungsgericht nicht vorgenommen. Hierin sieht die Beklagte einen entscheidungsrelevanten Verfahrensmangel.

Die Klägerin stellt ergänzend fest: Der Begriff "Auffassung" beinhaltet die Summe aller sachlich und rechtlich relevanten Sachverhalte. Ein Richter oder Gericht kommt auch dann zu einer Auffassung, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung bestehen bleiben. Wenn in Summe aller Überlegungen die Verletzung eines Wahlrechtsgrundsatzes durch das BbgKWahlG anzunehmen ist, muss eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht erfolgen. Die Schwelle für eine Richtervorlage in Fragen des Landeswahlrechts beim Bundesverfassungsgericht wird mit Urteil 2 BvR 1953/95 bewusst weich gehalten, da durch dieses Urteil eine Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze durch den Bürger selbst nicht mehr beklagt werden kann.

Das BbgKWahlG verletzt offensichtlich die Egalität des Staatsbürgers. Ein Einzelbewerber oder ein Kandidat der Klägerin bekommt durch das Kommunalwahlgesetz formal ein anderen Zugang zu Mandaten, als ein Kandidat einer im Sinne des §28a Abs.7 BbgKWahlG etablierten Partei oder Gruppe. Einzig dieser formale Unterschied, welcher in der Beglaubigungserfordernis nach §28a Abs.4 BbgKWahlG seinen gravierensten Ausdruck findet, hat verhindert, dass die Piratenpartei heute im Kreistag des Havellandes vertreten ist.

Die an sich schon verfassungswidrige, und zu vier Wahlgrundsätzen in Widerspruch stehende, Forderung des §28a Abs.2 BbgKWahlG nach Unterstützungsunterschriften hat die Klägerin fristgerecht erfüllt, wenn auch teilweise ohne die amtliche Beglaubigung nach §28a Abs.4 BbgKWahlG. Solange der Klägerin nicht Fälschung der eingereichten 30 eigenhändig unterschriebenen und nachprüfbaren Unterstützungsunterschriften je Wahlkreis vorgeworfen wird, ist die Ernsthaftigkeit des Wahlvorschlages, und der Rückhalt in der Bevölkerung für den selben, ausreichend dokumentiert worden. Das Möglicherweise irgendwann irgendwo ein mit Phantomunterschriften manipulierter Wahlvorschlag die technische Durchführung der Wahl spürbar beeinträchtigt hat, ist genausowenig überliefert wie der Umstand, dass überhaupt nur ein einziges Mal zu einer kommunalen Wahl so viele Wahlvorschläge eingereicht wurden, dass die technische Durchführbarkeit bedroht war. Und selbst wenn ein manipulierter Wahlvorschlag vor dem Wähler bestand hat -was auch als Heilung der Manipulation angesehen werden kann-, sollte ein einzelner Wahlvorschlagsträger nicht in der Lage sein, die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung, oder auch nur der kommunalen Vertretung, nachhaltig zu beeinträchtigen. Jede Geschäftsordnung und das Hausrecht hat die Möglichkeit vorsätzlich störende Abgeordnete von einer Sitzung auszuschließen. Da Entscheidungen in der Regel mit einfacher Mehrheit getroffen werden, beeinflusst die Abwesenheit auch einer größeren Zahl von Abgeordneten die Funktionalität einer Vertretung nicht, solange die Beschlussfähigkeit gewahrt bleibt. Im übrigen garantieren ein direkt vom den Bürgern hauptamtlich gewähler Verwaltungschef, das Haushaltsrecht und eine Kommunalaufsichtsbehörde die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung sogar dann noch, wenn die kommunale Vertretung vollständig handlungsunfähig ist.

Das BbgKWahlG verletzt die Freiheit der Wahl, denn die Menschen im Havelland hätten nachweislich, im für ein Mandat hinreichenden Umfang, für die Piraten gestimmt.

Das BbgKWahlG verletzt den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, und Artikel 22 Landesverfassung Brandenburg, wenn Wahlvorschläge ohne ausreichende sachliche Notwendigkeit zurückgewiesen werden. Selbst wenn die theoretischen Argumente des Verwaltungsgerichtes vollumfänglich berechtigt wären, bliebe der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verletzt, weil der Landesgesetzgeber Nicht-EU-Bürgern kein Wahlrecht eingeräumt hat. Die Landesverfassung fordert für die autonome Ausgestaltung des Wahlrechts innerhalb ihres Verfassungsbereiches eindeutig, dass nicht nur Bürgern, sondern auch anderen Bewohnern Brandenburgs aktives und passives Wahlrecht zu gewähren ist. Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht respektieren die Verfassungshohheit des Staates Brandenburg und bieten dem Landesgesetzgeber keinen Ansatzpunkt sich dieser Forderung durch die Landesverfassung zu entziehen. Der Punkt wurde im Wahleinspruch von der Klägerin vorgebracht, beschwert sie aber nicht unmittelbar selbst.

Das BbgKWahl verletzt den Grundsatz einer geheimen Wahl. Die relative höhe des Unterstützerquorums, gemessen an der Erfolgsschwelle des Wahlvorschlags, lässt sich im konkreten Fall nicht mehr mit der Forderung nach einer geheimen Wahl in Einklang bringen. Im Sinne der gängigen Argumentationen sind "Unterstützer" gleichbedeutend mit Menschen die den Wahlerfolg der unterstützten Partei wollen, sie sind also als Wähler anzusehen. Der Klägerin weist daraufhin, dass selbstverständlich auch vor Ämtern aus Gefälligkeit unterschrieben wird und der Amtseintrag eine Unterschriftsleistung aufgrund von Bestechung oder Bedrohung nicht verhindern kann.

Hinsichtlich der Höhe des Quorums kann die Klägerin nur feststellen, dass die Frage nach der Verhältnismäßigkeit vom Blickwinkels abhängig ist. Das Verwaltungsgericht spricht abstrakt von 1/1000 der Wahlberechtigten. Was im konkreten Fall der Piratenpartei Havelland -bezogen auf die Erfolgsschwelle der Wahlvorschläge bei der Kreistagswahl - bedeutet, dass sich 20% der für ein Mandat notwendigen Wähler vorab mit Personalausweis als Unterstützer einer Partei amtlich registrieren lassen müssen. In Worten: zwanzig Prozent. Letzter zugeteiler Sitz ca. 1800 Stimmen, was einem Stimmgeweicht von 600 Wählern entspricht. 120 beglaubigte Unterstützunterschriften wurden mindestens benötigt, um flächendeckend im gesamten Landkreis HVL antreten zu können. Zum Vergleich: Landtagswahl Kreiswahlvorschlag 100 Unterstützer bei einer Erfolgsschwelle von ca. 10.000 Wählern (1%); Bundestagswahl Kreiswahlvorschlag 200 Unterstützer bei einer Erfolgsschwelle von ca. 40.000 Wählern (0,5%). Und diese Unterschriften müssen nicht beglaubigt sein. Gemessen an dem für einen Wahlerfolg notwendigen Wählern liegt das Quorum bei Kommunalwahlen 20-fach über dem bei Landtagswahlen und 40-fach über dem bei Bundestagswahlen. Verrechnet man den höheren Aufwand für das Erlangen einer beglaubigten Unterschrift im Vergleich zu einer frei gesammelten Unterschrift konservativ mit dem Faktor 10, ergibt sich bei Kommunalwahlen eine Zulassungshürde, die 20000% über der bei Landtagswahlen und 40000% über der bei Bundestagswahlen liegt. So sieht die Praxis aus und es erklärt sich, warum die Klägerin die einen Hürden als Partei regelmässig schafft und die anderen Hürden oftmals reißt.

Selbst bei abstrakter Betrachtung von 1/1000 der Wahlberechtigten bleibt der objektive Mehraufwand für die Erlangung einer amtlichen Unterschrift bestehen. Die Klägerin führt zu den praktischen Hürden gerne umfangreich aus.

Das BbgKWahlG verletzt die formale Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb um kommunale Mandate. Spätestens wenn ein, im Sinne des §28a Abs.7 etablierter, Wahlvorschlagsträger in einem Wahlgebiet erstmalig antritt oder bei der vergangenen Wahl nicht die für ein Mandat notwenigen Stimmen aus der Wählerschaft bekommen hat, ist insbesondere mit Blick auf die konkrete Wahl, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Wahlvorschlagsträger offenkundig. Diese ist nach Artikel 12 Landesverfassung Brandenburg verboten.

Das BbgKWahlG verstößt auch gegen Artikel 21 Abs. 1 GG. Es behindert lediglich aus rein formalen Gründen die Teilnahme der Piratenpartei an der politischen Willensbildung im Havelland. Unstreitig lag kein einziger sachlicher Grund vor, der gegen die Teilnahme der Piratenpartei an der Kreistagswahl in allen vier Wahlkreisen sprach. Das Verwaltungsgericht bezieht sich in der Urteilsbegründung auf unrealistische und fiktionale Vorstellungen, die weder mit dem vorliegenden Fall, noch mit der politischen Wirklichkeit in Brandenburg 2014ff zu tun haben. Die Klägerin sieht darin Willkür.

Das Bundesverfassungsgericht führt im Urteil zu 2 BvK 01/07 - Ziffer 109 aus:

Der Gesetzgeber [Anm.: und auch das Verwaltungsgericht] muss sich bei seiner Einschätzung und Bewertung nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit orientieren (BVerfGE 95, 408 <418 f.> m.w.N.).

Und in Ziffer 103:

Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb ist in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn zu fordern. Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (BVerfGE 85, 264 <297>). Eine strenge Prüfung ist insoweit auch deshalb erforderlich, weil mit Regelungen, die die Bedingungen der politischen Konkurrenz berühren, die jeweilige parlamentarische Mehrheit gewissermaßen in eigener Sache tätig wird.

Einer offiziell anerkannten demokratische Partei den Zugang zu einer demokratischen Wahl zu verwehren, ist der schwerste denkbare Eingriff in die Chancengleichheit bei Wahlen nach dem vollständigen Verbot einer Partei.

Sämtliche vom Verwaltungsgericht vorgetragenen Rechtfertigungsgründe, welche auf die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretung zielen, können im konkreten Fall der Piratenpartei Havelland ebenso durch Zeugen restlos widerlegt werden, wie die Rechtfertigungsgründe hinsichtlich der technischen Durchführbarkeit der Wahl. Selbst den fragwürdigen Nachweis über die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit des Wahlvorschlages -in Form von 30 Unterstützungsunterschriften je Wahlkreis- hat die Klägerin fristgerecht erbracht.

Beweisantrag:

Wir beantragen den für die Kreistagswahl verantwortlichen Wahlleiter Lothar Marquardt, Prozeßbevollmächtigter der Beklagten im vorliegen Verfahren, als Zeugen zu laden. - zu laden über den Landkreis -

Der Zeuge wird aussagen, dass die Zulassung sämtllicher eingereichter Wahlvorschläge zur Wahl des Kreistages im Havelland zu keiner Beeinträchtigung des technischen Wahlablaufs geführt hätte. Darüber hinaus kann der sachverständige Zeuge zu den organisatorischen Grenzen des praktischen Wahlverfahrens Auskunft geben.

Beweisantrag:

Wir beantragen in diesem Zusammenhang den Stimmzettel der letzten Münchener Kommunalwahl als Beweismittel zuzulassen. Der Stimmzettel beweist, wieviel Spielraum hinsichtlich der Komplexität und des Umfangs bei der technischen Durchführbarkeit von Kommunalwahlen in Brandenburg existiert.

Beweisantrag:

Wir beantragen die Vorsitzende des Kreistages Manuela Vollbrecht, An den Göhren 19, 14641 Wustermark, OT Priort, als Zeugin zu laden. Die Zeugin wird aussagen, dass der Einzug der PIRATEN in den Kreistag zu keiner Beeinträchtigung der Funktionalität des Kreistages führt. Darüber hinaus kann die sachverständige Zeugin Auskunft über technische Grenzen hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Kreistages geben.


Fazit:

  • Unterstützungsunterschriften im Allgemeinen und die Beglaubigungserfordernis im Besonderen stellen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des verfassungsmäßigen Rechts politischer Parteien auf politische Mitgestaltung durch Teilnahme an der Wahl dar. Unterstützungsunterschriften verletzen die Egalität der Staatsbürger, welche eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie ist. Die Tatsache, dass sogenannte etablierte Parteien von der Erfordernis Unterstützungsunterschriften beizubringen ausgenommen werden, verletzt die formale Gleichbehandlung der Wahlvorschläge im Wahlverfahren, welche nicht zuletzt auch durch Art. 21 GG abgesichert wird. Ein Wahlverfahren muss blind sein für den Wahlvorschlag. Wer einen Wahlvorschlag eingereicht hat, darf und kann keinen Einfluss auf die Zulassung haben, solange ein fester Wohnsitz im Wahlgebiet vorhanden ist. Das Gesetz errichtet eine künstliche Hürde, die im konkreten Fall und bei gegebener politischer Realität, weder mit Blick auf die technische Durchführbarkeit der Wahl, noch mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretung zu rechtfertigen ist. Der Zweck dieser Hürde liegt aus Sicht der Klägerin ausschließlich darin, bereits etablierten Kräften kleinere Konkurrenten im politischen Wettbewerb fern zu halten. Dies wiegt um so schwerer, weil das Vertrauen vieler Menschen in Demokratie und Rechtsstaat schwindet. Wir haben eine insgesamt rückläufige Wahlbeteiligung. Die Regelungen des §28a BbgKWahlG hemmen die Möglichkeit einer Gesellschaft sich demokratisch durch Wahlen von Innen heraus zu erneuern.
  • Die Klägerin sieht gerade in den kommunalen Vertretungen die konkrete Chance lokale Alternativen zu entwickeln und umzusetzen. Und vielleicht erwächst aus diesen vielen lokalen Gruppen irgendwann so etwas wie eine neue staatspolitische Verantwortung. Erneuern bedeutet immer auch Verdrängen des Alten. Diese Erkenntnis erklärt die Motivation des Landesgesetzgebers hinter den beklagten Regelungen vermutlich vollständig. Eine nachweisbar von hinreichend vielen Wählern gewünschte politische Alternative im Kreistag Havelland wurde durch das BbgKWahlG rechtswidrig unterdrückt. Dieser Umstand lässt sich nur durch die beantragte Neuwahl heilen.
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Alte Version

Eine Berufung ist im Sinne des §124 VwGO zulässig, da 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 3. das Urteil in seiner Wirkung und Begründung der Entscheidung 2 BvK 01/07 des Bundesverfassungsgericht zu widerläuft, 4. das Verwaltungsgericht das verfassungsmäßige Gewicht der verletzten Grundrechte nicht gewürdigt hat.

Zur Begründung:

Das Verwaltungsgericht hätte die offensichtliche Verfassungswidrigkeit des Brandenburger Kommunalwahlgesetzes erkennen und einen entsprechenden Vorlagebeschluss zum Landesverfassungsgericht wegen Verstoß gegen Artikel 22 Abs.1 und Abs.3 Landesverfassung, sowie wegen Verstoß gegen den allgemeinen Wahlgrundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl, machen müssen. Alternativ wäre nur eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht wegen Verstoß gegen Art. 21 Abs.1 GG und Art. 28 Abs.1 GG denkbar.

zu 1.

  • Die Urteilsbegründung ist teilweise sachlich falsch. So behauptet das Verwaltungsgericht, dass die Klägerin die gesetzliche Vorgabe des § 28a Abs.2 BbgWahlG nach 30 Unterstützungsunterschriften je Wahlkreis unstreitig nicht erfüllt hat. Damit begibt sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu dem im Urteil selbst zu Grunde gelegten Sachverhalt, denn dort heißt es korrekt: "Zudem wurden u.a. für die Wahlkreise 3 und 4 fristgerecht am 11. März 2014 jeweils 30 weitere Unterstützungsunterschriften, die im Rahmen von Straßensammlungen geleistet wurden, beim Kreiswahlleiter eingereicht. Für den Wahlkreis 1 wurden fristgerecht am 17. März 2014 30 im Rahmen von Straßensammlungen geleistete Unterschriften dem Kreiswahlleiter vorgelegt." Insofern das Verwaltungsgericht argumentiert, dass Unterstützungsunterschriften zur Sicherstellung der Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlages dienen, ist festzustellen, dass die Piratenpartei Havelland in den beklagten Wahlkreisen, auch im Sinne des § 28a Abs.2 BbgWahlG, ernsthafte Wahlvorschläge eingereicht hat. Darüber hinaus liefert die Tatsache, dass der dokumentierte Unterstützungswille in der Bevölkerung offensichtlich vorhanden ist, den Beweis dafür, dass der Gesetzgeber in der Ausgestaltung des § 28a Abs.4 BbgWahlG eine künstliche Hürde aufgebaut hat, welche im konkreten Fall einen ernsthaften und von der Bevölkerung unterstützen Wahlvorschlag verhindert hat.
  • Ernstliche Zweifel bestehen darüber hinaus an der pauschalen Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass technische Gründe für eine Einschrängung der formalen Gleichheit der Bürger und die Chancengleichheit aller Wahlvorschläge im gesamten Wahlverfahren sprechen. Das Verwaltungsgericht behauptet, ohne es näher darzulegen, dass bei unbeschränkter Zulassung auch kleinster Splittergruppen, die Wahlzettel völlig unübersichtlich und unhandlich und ihre Auswertung schwierig würde. Bei Kommunalwahlen reden wir über räumlich und von der Einwohnerzahl her stark beschränkte Wahlgebiete. Die Behauptung des Verwaltungsgerichtes lässt sich hinsichtlich der Gemeindevertretersammlungen und Ortsbeiräten nicht halten. Denn hinsichtlich der Städte und Landkreise ließe sich selbst mit einer gehöriger Portion Fantasie kaum ein Fall vorstellen, in dem dieses Argument tatsächlich greift. Europa- und Bundestagswahlen beweisen, dass Wahlzettel mit 30 verschiedenen Wahlvorschlägen technisch handhabbar sind und das zur Not hintendran noch hundert Einzelbewerber auf den Wahlzettel passen. Und selbst wenn eine Einschränkung des Gleichheitsgrundsatzes mit Blick auf eine Flut von Einzelbewerbern vorgenommen wird, ist unter Beachtung des Artikel 21 Abs.1 GG eine Zugangsbeschränkung hinsichtlich offiziell anerkannter Parteien weder notwendig noch zulässig.
  • Das Argument, dass das politische Gewicht eines Wahlvorschlages hinreichend bekannt sein müsse, läuft im konkreten Fall gleich doppelt ins Leere. Zum einen lagen, wenn auch teilweise unbeglaubigt, ausreichend Unterstützungsunterschriften vor, zum anderen hat die Piratenpartei Deutschland durch die Teilnahme an Bundestags-, Europa- und Landtagswahlen längst ihr politisches Gewicht, auch im Havelland, bewiesen. Der Stimmenanteil der Piratenpartei im Havelland bei jeder dieser Wahlen hätte ausgereicht mindestens ein Mandat im Kreistag zu erlangen.
  • Die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichtes ist ebenfalls nicht tragfähig, denn das den Argumenten zu Grunde liegende Demokratieverständnis entspricht nur zum Teil den Grundsätzen einer freien und gleichen Wahl. So muss der Wähler nach Auffassung des Verwaltungsgericht vor sich selbst geschützt werden. Vermeintlich aussichtslose Wahlvorschläge dürfen gar nicht erst zur Wahl zugelassen werden, um das Stimmgewicht der einzelnen Stimme zu sichern. Hier verwechselt das Verwaltungsgericht das Stimmgewicht mit dem Erfolgswert einer Stimme, denn auch die Stimme für den aussichtslosesten Wahlvorschlag behält selbstverständlich ihr Stimmgewicht, selbst wenn sie die einzige ist, die auf einen Wahlvorschlag entfällt. Es ist das verfassungsmäßige Recht eines Bürgers die Partei oder Gruppierung zu wählen, von welcher er sich die beste Vertretung seiner Interessen verspricht. Die individuelle Entscheidung des Wählers muss weder von den anderen Wählern noch von den Behörden nachvollzogen werden können. Sie ist schlicht zu respektieren. Es gibt Bürger die ihre Stimme mit voller Absicht einem Wahlvorschlag geben wollen, der eigentlich chancenlos ist. Mitunter führt dies am Ende sogar zu einem Wahlerfolg, wie die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiativen (PARTEI) zur Europawahl 2014 bewiesen hat, und das obwohl ihr erklärtes Wahlziel darin bestand, dass sich möglichst viele ihrer Kandidaten am System EU-Parlament persönlich bereichen können. Selbst Parteien, die über Jahrzehnte hinweg im 0,x% Bereich operieren, wie z.B. die MLPD, haben eine Stammwählerschaft, welche offensichtlich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes durch den Gesetzgeber bevormundet gehört. Abgesehen davon könnte man mit diesem Argument mehr oder weniger alle Wahlkreisvorschläge zu Landtags- und Bundestagswahlen untersagen, die nicht von SPD, CDU oder LINKE eingereicht werden. Der Wählerwille muss sich aus Sicht der Klägerin soweit wie irgendwie möglich frei herausbilden können. Niemand hat das Recht in diesen Prozess einzugreifen, solange keine gleichwertigen Rechtsgüter konkret in Gefahr geraten. Freie Wahlen oder doch eher gelenkte Demokratie, wie es unsere russischen Freunde nennen?
  • Und selbst wenn alle Argumente des Verwaltungsgerichtes vollumfänglich zuträfen, bleibt die Tatsache bestehen, dass die bereits im Landtag parlamentarisch Parteien auch dort keine Unterschriften brauchen, wo sie bislang nicht vertreten waren, bzw. angetreten sind und vom Wähler nicht gewählt wurden. Es gibt Ortsteile und Amtsgemeinden wo selbst die SPD, CDU und Linke gar nicht erst antreten oder mit 2% nach Hause geschickt werden. Trotzdem dürfen sie dort bei der nächsten Wahl wieder antreten, ohne das durch Nachweis von amtlichen Unterstützungsunterschriften die Vermutung abgeleitet werden muss, dass "hinter dem Wahlvorschlag eine mit Blick auf die _konkrete_ Wahl eine politisch ernstzunehmende Gruppe steht", oder das "ihr Wahlvorschlag mit den ernstlichen Absichten ihrer Wählergruppe übereinstimmt." Wenn die SPD bei Kommunalwahlen in einem Wahlgebiet zum _ersten_ Mal antritt, darf sie dass ohne amtlich beglaubigte Unterstützungsunterschriften tun. Mit welcher sachlichen Begründung?
  • Hinsichtlich der Höhe des Quorums bleibt festzustellen, dass alles eine Frage des Blickwinkels ist. Das Verwaltungsgericht spricht abstrakt von 1/1000 der Wahlberechtigten. Was im konkreten Fall der Piratenpartei Havelland bezogen auf die Erfolgsschwelle der Wahlvorschläge bei der Kreistagswahl bedeutet, dass sich 20% der für ein Mandat notwendigen Wähler vorab mit Personalausweis als Unterstützer einer Partei amtlich registrieren lassen müssen. In Worten: zwanzig Prozent. Letzter zugeteiler Sitz ca. 1800 Stimmen, was einem Stimmgeweicht von 600 Wählern entspricht. 120 beglaubigte Unterstützunterschriften wurden mindestens benötigt, um flächendeckend im gesamten Landkreis antreten zu können. Zum Vergleich: Landtagswahl Kreiswahlvorschlag 100 Unterstützer bei einer Erfolgsschwelle von ca. 10.000 Wählern (1%); Bundestagswahl Kreiswahlvorschlag 200 Unterstützer bei einer Erfolgsschwelle von ca. 40.000 Wählern (0,5%). Und diese Unterschriften müssen nicht beglaubigt sein. Gemessen an dem für einen Wahlerfolg notwendigen Wählern liegt das Quorum bei Kommunalwahlen 20-fach über dem bei Landtagswahlen und 40-fach über dem bei Bundestagswahlen. Verrechnet man den höheren Aufwand für das Erlangen einer beglaubigten Unterschrift im Vergleich zu einer frei gesammelten Unterschrift konservativ mit dem Faktor 10, ergibt sich bei Kommunalwahlen eine Zulassungshürde, die 20000% über der bei Landtagswahlen und 40000% über der bei Bundestagswahlen liegt. So sieht die Praxis aus und es erklärt sich warum wir die einen Hürden als Partei schaffen und die anderen Hürden oftmals reißen.
  • Hinsichtlich des Hauptklagepunktes nach der Unverhältnismäßigkeit, und damit Verfassungswidrigkeit, der amtlichen Unterschriftsleistung rühren ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils an den größtenteils falschen Behauptungen, die zur Legitimation des §28a Abs.4 BbgKWahlG herangezogen werden. Ziel der Vorschrift sei es, "auszuschließen, dass Unterschriften z.B. aus Gefälligkeit, also ohne ernsthaften Unterstützungswillen, abgegeben werden." Aus Gefälligkeit wird selbstverständlich auch auf den Ämtern unterschrieben, nur ist die Gefälligkeit hier bereits größer. "Ferner sollen Unterschriften von Personen ausgeschlossen werden, die sich über die Bedeutung und den Zweck ihrer Unterschrift nicht im klaren sind." Staatsbürgerkundeprüfung? Natürlich können die lokalen Verwaltungsmitarbeiter auch kleine Aufgaben zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit des Unterstützungswillens stellen. Nur wer es sich wirklich nicht ausreden lässt, ist ein ernsthafter Unterstützer und darf unterschreiben. #sarkasmus off

Ebenso kann ein Unterstützer durch Bedrohung, Bestechung, Überredung etc. dazu gebracht werden die amtliche Unterstützungunterschrift zu leisten. 100€ pro Wahlberechtigten sollten binnen 1-2 Stunden die benötigten amtlichen Unterschriften zusammenbringen. Manipulationen an den amtlichen Listen sind technisch ebenfalls problemlos möglich, weil sie den Wahlvorschlagsträgern übergeben werden, da diese sie beim Wahlleiter einreichen müssen. Die Wahlberechtigung kann bei unbeglaubigten Listen nachträglich durch den Wahlleiter geprüft werden, wie er es z.B. bei Listen, welche von einem Notar eingereicht würden, auch tun müsste. Spätestens in der Summe begründen diese Scheinargumente ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Der Nutzen einer Vorschrift, welche sicherstellt, dass die Unterschrift tatsächlich vom jeweiligen Unterstützer stammt, ist weit geringer, als der Schaden den diese Vorschrift an unserer Demokratie anrichtet. Menschen wollen sich im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung engagieren. Wer möchte sie mit welchem Recht dabei behindern?

  • Die Behauptung des Verwaltungsgerichtes die von uns frei gesammelten Unterschriften entsprächen inhaltlich nicht den bei den Wahlbehörden hinterlegten Listen, wird von der Klägerin als sachlich falsch zurückgewiesen. Die von den Unterstützern erhobenen Daten sind deckungsgleich mit denen der amtlichen Vordrucke des Kreiswahlleiters. Wahl, Wahlkreis und Wahlvorschlagsträger sind eindeutig und zweifelsfrei genannt. Worin der angebliche inhaltliche Mangel bestehen soll, sagt das Verwaltungsgericht nicht.


zu 2.

  • Die Stärke der Demokratie ist ihre Fähigkeit sich von innen heraus zu erneuern. Das Bewerber und Parteien, welche bereits parlamentarisch Vertreten sind, im Brandenburger Kommunalwahlgesetz priviligiert werden ist offensichtlich. Ein Kartell der Macht versucht das entstehen von Alternativen an der politischen Basis unserer Gesellschaft, den Städten und Kommunen, zu behindern. Die Zustimmung zu den Altparteien insgesamt sinkt. Die Wahlbeteilung sinkt. Kein Gesetz, welches Parteien, Initiativen und Einzelpersonen die vor Ort Verwantwortung übernehmen wollen, behindert, sollte vor unserer Verfassung bestehen können. Die formale Verletzung eines Wahlgrundsatzes ist immer eine Angelegenheit von grundsetzlicher Bedeutung, welcher inhaltlich Anspruch auf rechtliche Überprüfung hat. "Ebenso hat jeder Richter das in einem Rechtsstreit erhebliche Landeswahlrecht auf seine Übereinstimmung mit den fünf Wahlrechtsgrundsätzen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG zu überprüfen und das Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wenn er der Auffassung ist, es entspreche diesen Grundsätzen nicht. Dabei handelt es sich sowohl bei der abstrakten als auch bei der konkreten Normenkontrolle um Verfahren, in denen allein zu klären ist, ob der Gesetzgeber den objektivrechtlichen Vorgaben der Verfassung genügt hat." - 2 BvR 1953/95 Ziffer 59
  • Die formalen Unterschiede im Wahlgesetz stehen im unstreitigen Widerspruch zum Wahlgrundsatz der Gleichheit der Wahl und dessen objektivrechtlichen Vorgaben. Argumente welche auf die Handlichkeit von Wahlzetteln zielen oder der Wunsch den Wähler vor seiner eigenen Entscheidung beschützen zu wollen, sind außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit im Vergleich zu den angegriffenen Grundrechten. Und das es keinen hinreichenden Grund gibt die Handlungsfähigkeit in Gefahr zu sehen, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu 2 BvK 01/07 deutlich gemacht.


zu 3.

  • Mit dem vom Verwaltungsgericht in der Urteilsbegründung erwähnten, und somit dem Gericht bekannten, Urteil 2 BvK 01/07 des Bundesverfassungsgerichts wird der Eingriff von Sperrklauseln bei Kommunalwahlen als verfassungswidrig abgeurteilt, da die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung durch ihre Struktur mit direkt vom Volk gewählten Landräten und Bürgermeistern gesichert ist, und die Vertretungen nur begrenzte Befugnisse haben und darüber hinaus einer Rechtsaufsicht unterliegen. Solange es keine mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungsorgane gibt, hat der Gesetzgeber analog des Leitsatzes aus 2 BvK 01/07 kein Recht dazu einzugreifen. Es ist zu bezweifeln, dass selbst ein Dutzend unernster oder nicht nachhaltiger Wahlvorschläge zu solch einer Beeinträchtigung führen können, zumal diese Wahlvorschläge ja auch noch vor dem Wähler bestehen müssen.
  • Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes sollen Zulassungshürden auch erfolgversprechende Wahlvorschläge verhindern. Nachdem die Sperrklauseln bei Kommunalwahlen vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurden, sollen jetzt andere Hürden diese Aufgabe übernehmen, womit wieder genau solche Wahlvorschläge getroffen werden, denen das Bundesverfassungsgericht gerade bescheinigt hatte, dass ihr verstärkter Einzug in die Vertretungen durch den Wegfall der 5%-Sperrklausel keine entscheidene Beineinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane erwarten lässt. Zulassungshürden greifen dem Wählerwillen vor und sind spätestens im Falle erfolgversprechender Wahlvorschläge, wie vorliegend, unzulässig.



zu 4.

  • Nach 2 BvK 01/07 Ziffer 95 sichert der Grundsatz der Gleichheit der Wahl "die vom Demokratieprinzip vorrausgesetze Egalität der Staatsbürger. Die Gleichbehandlung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung". Das im Falle des BbgKWahlG ausnahmsweise von diesem Grundsatz der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz abgewichen wird ist offensichtlich, denn ein Bürger bekommt formal bei der SPD einen anderen Zugang zu Wahlen und Mandaten, als in der Piratenpartei oder als Einzelbewerber. Aufgrund dieser Grundrechtsverletzung hat die Klägerin die Wahl angefochten. Das Verwaltungsgericht erwähnt weder ausdrücklich das im Artikel 22 Landesverfassung Brandenburg verbriefte Recht der Bürger auf Teilnahme an Wahlen, noch das in Artikel 21 GG festgeschriebene Privileg der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken und auch nicht die demokratische Verpflichtung auf ein neutrales Wahlverfahren. Hätte das Gericht die verletzten Grundrechte - den Eingriff in die an sich demokratische Staatsordnung - sachgerecht gewürdig und die Gründe für das Eingreifen konkret gegenübergestellt, hätte es auch die Unbilligkeit seiner eigenen Argumentation erkannt. Das Verwaltungsgericht hat der Klägerin die Prüfung ihres zentralen Klagepunktes verweigert.
  • Auf die beklagte Verletzung des Artikel 12 Abs.1 der Landesverfassung Brandenburg geht das Verwaltungsgericht nicht ein.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Jede Willkür und jede sachwidrige Ungleichbehandlung ist der öffentlichen Gewalt untersagt. Die Klägerin hat im Verfahren deutlich gemacht, dass Menschen, welche für die PIRATEN kandidieren, formal anders durch das Brandenburger Kommunalwahlgesetz behandelt werden, als Menschen, welche für die SPD kandidieren. Die Klägerin sieht darin die Willkür und den Machtmissbrauch, der an diesem Beschluss mitwirkenden Parteien, welche sich selbst unlautere Vorteile im politischen Wettkampf beschaffen. Auf Kosten der Demokratie!

  • Der Landesgesetzgeber behandelt Landtags- und Kommunalwahlen sachwidrig ungleich, wenn er den Zugang zu Kommunalwahlen schwieriger gestaltet als zu Landtagswahlen. Der Landtag hat im Gegensatz zu kommunalen Vertretungen Gesetzgebungskompetenz und muss eine Regierung wählen. Landkreise und kreisfreie Städte haben Hauptamtliche, direkt vom Volk gewählte Verwaltungsleiter, die auch ohne funktionsfähigen Kreistag handlungsfähig bleiben. Die Klägerin sieht gerade in den kommunalen Vertretungen vor Ort die konkrete Chance lokale Alternativen zu entwickeln und umzusetzen. Und vielleicht erwächst aus diesen vielen lokalen Gruppen irgendwann soetwas wie eine neue staatspolitische Verantwortung. Bei der Zulassung zur Wahlen von Gesetzgebungsorganen können eher strengere Maßstäbe angelegt werden als bei Wahlen zu kommunalen Vertretungen. Es geht um kommunale Selbstverwaltung! Warum sollten da Menschen mit Parteibuch Vorteile haben?