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Benutzer:MorgenlandfahrtBRB/plaedoyer

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Plädoyer für eine neue Finanzpolitik

Warum der Kapitalismus Scheiße ist . . .

Zwei Dinge vorweg:

  • Der realexistierende Kapitalismus hat uns in Deutschland ein beachtliches Maß an Wohlstand beschert, auch wenn über die Verteilung dieses Wohlstandes mit Sicherheit gestritten werden kann.
  • Kapitalismus als System regelt die Verteilung knapper Ressourcen relativ effizient, empirisch gesehen auf jeden Fall besser als die staatsdirigistischen Systeme der Vergangenheit und Gegenwart.


Dennoch: Der Kapitalismus zwingt die Menschen dem Geld hinterher zu jagen. Dieser Zwang ist für Milliarden existenziell. Viele kämpfen diesen Kampf, obwohl sie kaum eine praktische Chance haben jemals im Leben auf einen grünen Zweig zu kommen. Sie kämpfen schlicht um über den nächsten Tag, die nächste Woche zu kommen. Diese Not wird oft von den Herrschenden und Besitzenden ausgenutzt, um "Verträge" zu ihren Bedingungen zu schließen. Dieser Zustand ist für mich nicht mit meinem Begriff der Menschenwürde in Einklang zu bringen.

Auf den Begriff Gerechtigkeit verzichte ich hier und im Folgenden bewusst, denn da halte ich es mit dem griechischen Philosophen Trasymachos: Gerechtigkeit ist immer der Vorteil des Stärkeren.

In Deutschland haben wir diese existenzielle Not weitestgehend minimiert. Wir haben umfangreiche Sozialtransfers direkt über staatliche Leistungen oder über Sozialversicherungen organisiert. Die Jagd nach dem Geld gilt bei uns in der Regel anderen Bedürfnissen - jenseits des Überlebenskampfes. Wenn alle meine Nachbarn schicke Auto`s fahren, kommt nicht so richtig Freude über ein paar feste Schuhe auf. Die Medien tun ihr übriges immer neue Bedürnisse zu wecken, um so das große Rad in Schwung zu halten. Kapitalismus braucht Wachstum, denn Kapital will verzinst sein, Gewinn bringen, und diese Zinsen müssen irgendwo verdient werden.

Das sich Finanz- und Kapitalmärkte, das Herz der kapitalistischen Weltordnung, in ihrem Streben nach Profitmaximierung in den letzten Jahrzehnten zum Schaden der Allgemeinheit immer weiter verselbständigt haben, hat wahrscheinlich mittlerweile auch der Letzte begriffen.

Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: Es gilt dem Kapital die Zähne zu ziehen. Die Befriedigung der existenziellen Grundbedürfnisse ist die Grundvoraussetzung für ein Leben in Freiheit und Würde. Da der realexistierende Kapitalismus dies offensichtlich nicht leistet bedarf es des Staates. Es bleibt die Frage, wie der Staat diese Aufgabe finanziert und organisiert.

Der Staat soll öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dazu braucht er Geld. Heute finanziert der Staat seine Aufgaben über ein komplexes System von Steuern und Abgaben. Die nachfolgende Idee bricht mit dieser Tradition und stellt die Staatsfinanzierung auf eine völlig andere Grundlage.


Alle Steuern und Abgaben werden abgeschafft. Das benötigte Geld wird schlicht gedruckt, wobei man sich das Drucken heute schenken kann. Der Staat als öffentliche Körperschaft bringt einfach frisches Geld in Umlauf. Als Souverän wird niemand ihn daran hindern können.


Welche Auswirkungen hat ein solcher Paradigmenwechsel?

  • Zunächst einmal zahlt keiner mehr Steuern und Abgaben. Brutto = Netto ! Und auch die Arbeitgeber sparen auch ihren Teil an der Sozialversicherung. Keine Mehrwertsteuer, keine Kraftstoffsteuer etc. Die Verbraucherpreise werden zunächst spürbar fallen. Alle haben mehr Geld und Alles wird billiger.
  • Alle Lenkungseffekte durch Steuern entfallen. Diesen Sachverhalt können wir als ein Abschütteln staatlicher Bevormundung oder als fiskalpolitische Kapitulation vor der Dummheit des Menschen ansehen. ;-)
  • Die komplette Finanzbürokratie wird überflüssig. Der Staat spart einen bislang notwendigen Kostenblock zur Erfüllung seiner Aufgaben vollständig ein.
  • Der Staat verliert seine Abhängigkeit von den Kapital- und Finanzmärkten. Er bezahlt seine Schulden - durch Gelddrucken - und spart sich mit den Zinsen in Zukunft einen weiteren Kostenblock öffentlicher Haushalte.
  • Ein Inflationsdruck entsteht. Der reale Wert des Geldes wird sich neu bestimmen. Wie hoch diese Inflation ausfallen wird bestimmt der Markt, das Spiel und Angebot und Nachfrage. Die Kosten des Staatswesens werden nur und ausschließlich auf alle Kapitalbesitzer abgewälzt. Niemand kann sich entziehen, wer viel Kapital hat wird stärker zur Finanzierung herangezogen, wer kein Kapital hat bezahlt nichts. Wer unter dem Strich Schulden hat, z.B. junge arbeitende Familien mit Eigenheim oder Menschen die im Leben einmal gescheitert sind, verlieren durch die Inflation faktisch einen Teil ihrer Schulden.

Bereits heute bringt die öffentliche Hand frisches Geld in Umlauf. Diese Aufgaben haben die Zentralbanken übernommen, relativ unabhängig von der Regierung, der Geldwertstabilität verpflichtet, wie im deutschen oder europäischen Modell oder weisungsabhängig von der Regierung, wie in vielen anderen Staaten. Auf dieser Basis hebeln die Geschäftsbanken die im Umlauf befindliche Geldmenge über die Giralgeldschöpfung um ein Vielfaches.

Das auch eine massive Ausweitung der Geldmenge nicht automatisch zur Inflation führt zeigt sich aktuell an den Aufkäufen von Staatsanleihen durch die Zentralbanken. Vor allem die US-Regierung hat unvorstellbar hohe Milliardenbeträge über diesen Weg in Umlauf gebracht. Wir reden hier von 4-stelligen Milliardenbeträgen, was von der Größenordnung an die gesamte Geldmenge (M3) des Euroraumes herankommt, bei vergleichbarer Wirtschaftsleistung. Bislang sind aber weder in Europa noch in den USA gravierende inflationäre Tendenzen aufgetreten.

Es ist also ungewiss in welchem Umfang die Märkte auf einen Paradigmenwechsel in der Finanzpolitik reagieren. Insbesondere die Rückzahlung aller staatlichen Kredite erhöht die Geldmenge erheblich und provoziert Inflation. Wobei festzuhalten ist, dass die Gläubiger von heute in relativ kurzer Zeit über wahnsinnig viel Liquidität verfügen werden. Das ist insofern spannend, da sie somit automatisch die größten Verlierer einer Inflation werden würden. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser neu geschaffenen Liquidität liegt somit in ihrem Eigeninteresse.

Da liquide Mittel tendenziell von Inflation bedroht werden, wächst das Bedürfnis in reale Werte zu inverstieren. Hier liegt eine große Chance wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen. Die Zinsen werden dauerhaft auf Tiefstständen verharren. Bei soviel im Umlauf befindlichem Geld wird es für Menschen mit Ideen spürbar leichter werden an Geld zur Umsetzung ihrer Ideen zu kommen. Die Preise für Aktien und Immobilien werden im Mittel deutlich steigen. Irgendwo muss das viele Geld ja hin.

In der Zeit nach der Umstellungsphase wird der Inflationsdruck durch die vom Staat getätigten Ausgaben und die damit zusätzlich in Umlauf gebrachte Geldmenge im wesentlichen davon abhängen, wie die Marktteilnehmer den Nutzen der Staatsausgaben einschätzen. Wahrscheinlich würden Investitionen in Infrastruktur oder Ausgaben für produktives Personal, wie Lehrer oder Polizisten, in ihrem Mehrwert anders bewertet werden, als die Milliarden für sinnlose Kriege oder Bankenrettungen. Das heißt, da wo der Staat mit dem frisch gedruckten Geld einen realen oder gefühlten Mehrwert schafft, ist dieses neue Geld gedeckt und der Inflationsdruck gering. Das Spiel mit der Inflation ist ein Spiel mit Erwartungshaltungen. Vertrauen in ein nachhaltiges und verantwortliches Handeln der Regierung wird sich in einem vergleichsweise stablien Geldwert spiegeln.


Inflation führt indirekt zu einem gewissen Maß an faktischer Umverteilung. Menschen mit hoher Liquidität verlieren mehr als Menschen ohne Geld. Staatsfinanzierung durch "Geld drucken" schafft aber auch auf der Ausgabenseite die Chance Lebensverhältnisse anzugleichen, wenn jeder Region und jedem Menschen rechnerisch gleich viel von diesem frischem Geld zu Gute kommt.

Am Beispiel Europas lässt sich der Gedanke anschaulich ausführen. Die vorgestellte Idee kann theoretisch in jedem Währungsraum seperat umgesetzt werden, aber sie funktioniert auch über verschiedene Währungsräume hinweg, wenn eine demokratische Legitimationsquelle existiert. Für uns ist die maßgebliche Bezugsgröße somit die EU und der Euro. Das europäische Parlament beschließt nun also für das Haushaltsjahr 2014 5000 MRD Euro zur Deckung aller Staatsaufgaben frisch in Umlauf zu bringen. Von diesen 5000 MRD wird zunächst der Aufwand zur Erfüllung der Staatsaufgaben auf EU-Ebene, sagen wir 1000 MRD abgezogen. Die verbleibenden 4000 MRD werden gemäß der Bevölkung auf die einzelnen Mitgliedsstaaten verteilt. Diese wiederum entscheiden eigenverantwortlich welchen Anteil ihres nationalen Budgets sie zur Deckung ihrer Aufgaben auf nationaler Ebene aufwenden und welchen Teil sie an die Regionen weiterleiten. Für uns würde also der Bundestag den Bundeshaushalt festlegen und den Rest dann an die Länder gemäß ihrer Einwohnerzahl weiterleiten. Dort würde dann der Landtag über einen Landeshaushalt beschließen und den Rest wiederum an die Kreise gewichtet nach Bevölkerung durchleiten und zu guter Letzt legt Kreistag sein Budget fest und gibt den Rest an die Kommunen weiter.

Dieses Beispiel soll erst einmal die Systematik verdeutlichen und klar machen das öffentliches Geld zunächst gleichmäßig über die Fläche verteilt wird. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass z.B. im Landeshaushalt Brandenburg Projekte zur Förderung strukturschwacher Regionen in der Lausitz, Prignitz und Uckermark eingestellt werden. Formal ist dieses Geld aber Landesgeld für alle "Landeskinder" und nicht das Geld der Landkreise. Wenn politische Mehrheiten hier politische Schwerpunkte setzen, bleibt das ihr selbstverständliches demokratisches Recht. Klar ist auch, dass ein solches System wissen muss, welche Ebene für welche Aufgabe zuständig ist und die zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Kosten bedarfsdeckend kalkuliert werden.

Der Transparenz wäre innerhalb eines solchen Systems geholfen zu ihrem Recht zu kommen, denn klare Aufgabenteilung und klare "Preise" für staatliche Leistungen sind ein Meilenstein in dieser Hinsicht.

Die Frage, ob der Staat eine Aufgabe ausschließlich oder vorrangig als "Eigenbetrieb" erfüllt, z.B. Betrieb von Schulen, oder aber die Leistung in der freien Wirtschaft einkauft, z.B. medizinische Grundversorgung, bleibt hier zunächst unbeantwortet und kann an verschiedenen Orten auch verschieden gehandhabt werden.

Da pro Einwohner aber innerhalb der gesamten EU die gleichen Mittel zur Erledigung der gleichen Aufgaben zur Verfügung stehen, werden sich Löhne und Preise schnell angleichen.

Natürlich lässt sich dieser Gedanke theoretisch problemlos auf größere Flächen oder gar den gesamten Planeten beziehen. Dann bekäme China eben dreimal soviel Geld zur Erfüllung seiner Aufgaben wie die EU, da in China eben auch dreimal soviel Menschen leben. Geld ist ja für den Staat keine Mangelware mehr, denn er kann beliebig viel drucken.

Der Bürger als Souverän entscheidet über das Parlament oder in direkter Abstimmung selbst wieviel Staat er haben möchte und wieviel Inflation er dafür in Kauf nimmt bzw. er zu riskieren bereit ist.'